Beim Blick auf die derzeitige Lage in Deutschland überrascht der große Anstieg beim Ärztemangel nicht. Die Bundesärztekammer bewertet den zunehmenden Ärztemangel als ernsthaftes Problem – nur noch 428.000 Ärzte waren 2023 in Deutschland berufstätig.

Der Ärztemangel in Deutschland ist ein vielschichtiges Problem

Die Ursachen für den Ärztemangel hierzulande sind vielschichtig. Während eine Ursache durch den hohen Arbeitsdruck in deutschen Krankenhäusern entsteht und viele Ärzte deshalb vorzeitig ausscheiden, sehen Experten eine weitere Ursache im demographischen Wandel, in dessen Folge mehr Bürger von weniger Ärzten medizinisch versorgt werden müssen. Hinzu kommt, dass sich mehr Ärzte als sonst für eine Laufbahn in Unternehmen aus der freien Wirtschaft oder der Forschung entscheiden.

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Volkskrankheiten

Volkskrankheiten in der Übersicht

Laut Prognose wird in Deutschland bis zum Jahr 2030 etwa jedes fünfte bis sechste Krankenhausbett leer stehen.

Wie aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt– und Berufsforschung (IAB) hervorgeht, besteht in der BRD aktuell ein Defizit von über 15.000 Ärzten. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) sieht jährlich insgesamt 2.500 fehlende ärztliche Nachbesetzungen bei den Stellen und schätzt, dass es bis zum Jahr 2040 an etwa 30.000 bis 50.000 Ärztinnen und Ärzten mangeln wird.

Schon heute sind die Auswirkungen auch für Patienten deutlich spürbar, denn sie sind besonders in Arzt- und Facharztpraxen von langen Wartezeiten bei Terminen betroffen. Durch den Mangel an Ärzten kommt es außerdem häufiger zu Qualitätseinbußen bei der medizinischen Behandlung. In Krankenhäusern führen die Personalprobleme zum Teil zu solchen Engpässen bei der medizinischen Versorgung, dass manche besonders beeinträchtigte Patienten dadurch in lebensbedrohliche Situationen geraten.

Experten und Betroffene sehen die Politik in der Pflicht zu handeln

Von der Politik werden verschiedene Maßnahmen erwartet, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken. Betroffene fordern nicht nur bessere Arbeitsbedingungen in den Arztpraxen und Kliniken, sondern setzen sich unter anderem auch für eine Reform der Ausbildung ein, damit der Arztberuf für Nachwuchskräfte an Attraktivität gewinnt. Insbesondere in den Kliniken fordern Betroffene bessere Arbeitsbedingungen, die durch eine Aufstockung des Personals, flexiblere Arbeitszeiten sowie ein höheres Gehalt erreicht werden sollen. Zudem wurde eine bessere Bezahlung der einzelnen Krankenbehandlungen gefordert.

Fakt ist, dass nicht nur der Ärztemangel die medizinische Versorgungssituation in Deutschland zunehmend belastet, sondern zahlreiche kleinere Kliniken vor dem Aus stehen, da sie in finanzielle Not geraten sind und aus diesem Grund entweder ganz schließen mussten oder zumindest einige Abteilungen geschlossen haben.

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Bürorarbeit macht zunehmend mehr Arbeitnehmer krank

Bürorarbeit macht zunehmend mehr Arbeitnehmer krank

Nach Informationen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG e.V.) kam es seit Juli 2022 zu fast 50 Insolvenzen von Kliniken und weitere stehen mit dem Rücken zur Wand – das monatliche Defizit aller Kliniken in Deutschland beträgt etwa 500 Millionen Euro. Die Gesellschaft warnte vor einem „kaltem Strukturwandel“.

In einigen ländlichen Bereichen kam es bereits zu lautstarken Protesten, weil Bürger die schnell erreichbare medizinische Versorgung in Gefahr sehen.

Die Klinikreform soll das Blatt wenden

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verspricht seit März 2024 eine revolutionäre Krankenhausreform, mit der er nicht nur eine schnelle Erreichbarkeit bei der medizinischen Versorgungen sicherstellen will, sondern durch Vorhaltepauschalen in Höhe von 60 Prozent der Kosten zur Bereitstellung von Klinikpersonal und Betten absichern will, damit keine unnötigen Operationen mehr für die Bilanz durchgeführt werden. Behandlungsqualität und Effizienz in der Krankenhausversorgung sollen zudem steigen, ein weiterer Pfeiler soll die Entbürokratisierung werden.

Woher das Geld kommen soll, ist noch nicht ganz klar. Bund und Länder sollen es richten, auch Beitragserhöhungen bei den Krankenversicherungen sind im Gespräch.

Die von Minister Lauterbach angestrebte Reform sieht Neuordnungen durch Fusionen und Umwandlungen von Krankenhäusern in Arztzentren vor. Dem komplizierten Regelwerk, das umgesetzt werden soll, stehen derzeit viele Kritiker gegenüber, scharfe Kritik kommt unter anderem aus den Bundesländern, aber auch von Krankenhausbetreibern.

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Wenn Stress krank macht: Stresssymptome & Maßnahmen

Wenn Stress krank macht: Stresssymptome & Maßnahmen

Experten rechnen damit, dass sich erst im Jahr 2028 Wirkungen der Reform zeigen werden. Die umstrittene Krankenhausreform, die nun schrittweise umsetzt werden soll, passierte am 22.11.2024 den Bundestag.

Was sind die Ursachen für den Ärztemangel in Deutschland?

Experten sehen viele Gründe für den Ärztemangel in Deutschland und für die Probleme, die er verursacht. Neben den vielen Ursachen setzt die Bundesärztekammer jedoch drei Hauptgründe in den Focus.

1.Zu wenige Nachwuchskräfte

Seit Jahren werden immer noch zu wenige Medizinstudenten an deutschen Universitäten verzeichnet. Bislang wurde die Hoffnung auf einen Aufholeffekt und ein stark ansteigendes Wachstum von Nachwuchskräften nach dem Wegfall der Beschränkungen der Corona-Pandemie in den Ärztestatistiken enttäuscht. An den medizinischen Fakultäten wird lediglich von einer leicht angestiegenen Ausbildungskapazität gesprochen. Insgesamt ist die Anzahl der in Anspruch genommenen Studienplatze nach Angaben der Bundesärztekammer stark gesunken. Waren es in den 1980er Jahren noch nahezu 14.000 beanspruchte Studienplätze, schrieben sich im Jahr 2023 nur noch 12.000 Studenten für den Studiengang Medizin ein. Die Ursachen dafür sehen Experten zum Teil nicht nur in den hohen Kosten für ein Medizinstudium und der langen Ausbildungsdauer, sondern auch darin, dass die schlechten und familienunfreundlichen Arbeitsbedingungen abschreckend auf Nachwuchskräfte wirken und ihre Leistung nicht unbedingt angemessen bezahlt wird.

2. Der demographische Wandel schlägt beim Ärztemangel in Deutschland doppelt zu

Als einer der weiteren Hauptgründe gilt der demographische Wandel. Die sogenannte Baby-Boomer-Generation aus sehr kinderreichen Phasen in den 60er Jahren ist älter und kränker geworden. So stieg und steigt die Patientenzahl weiter an, während sich auf der anderen Seite die Anzahl der aktiven Ärzte in Deutschland weiter erheblich reduziert. Das Problem wird sich in der nächsten Zeit absehbar nicht lösen lassen. In der Folge verlängern sich nicht nur für die Patienten die Wartzeiten deutlich, sondern auch die Ärzte litten und leiden weiter unter einer deutlich angstiegenen Auslastung.

Die Zahl der Ärzte, die im Jahr 2023 in den Ruhestand gingen, belief sich nach Angaben der Bundesärztekammer auf mehr als 100.000 und es wird befürchtet, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch weiter fortsetzt.

So ergibt sich ein doppelter Negativeffekt, denn mehr Kranke stehen weniger Ärzten gegenüber.

3. Auswanderung von Ärzten aus Deutschland ist ein weiteres Problem

Eine weitere gewichtige Rolle spielt die zunehmende Auswanderungsquote der Ärzte, die aus Deutschland auswandern. Nach Angaben der Bundesärztekammer haben allein im Jahr 2023 fast 2.200 Ärzte Deutschland den Rücken gekehrt, um dauerhaft im Ausland zu leben und zu arbeiten. Der Großteil entschied sich innerhalb Europas für die Schweiz, Österreich und Griechenland. Außerhalb Europas zog es die abwandernden Ärzte hauptsächlich in die USA oder nach Asien.

Dagegen verzeichnete die Statistik über nach Deutschland zugezogene Ärzte 2023 erneit einen Anstieg. Die Anzahl ausländischer Ärzte in Deutschland erreichte mit einem Anteil von 64.000 Ärzten im Jahr 2023 ihren Höchststand. Häufigste Herkunftsländer sind neben Syrien, Rumänien und Österreich außerdem Griechenland, Russland sowie die Türkei.

Welche Folgen hat der Ärztemangel für Ärzte, Patienten und Kliniken?

Der in Zukunft noch weiter ansteigende Ärztemangel geht nicht spurlos an den Ärzten, Patienten und Kliniken vorbei. Schon jetzt ist er für alle Beteiligten mit verschiedenen, teilweise erheblichen Folgen verbunden.

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Burnout-Syndrom: Symptome, Ursachen und Behandlung

Burnout-Syndrom: Symptome, Ursachen und Behandlung

Folgen für zahlreiche Ärzte

Für viele Ärzte dürfte nach den aktuell eher düsteren Prognosen auf unabsehbare Zeit die Überbelastung sowie der erhebliche Stress und Druck nicht zurückgehen.

Die Folge ist, dass diese Ärzte zum Teil auch körperlich und psychisch weiter an ihre Grenzen gehen müssen. Unter solchen Arbeitsbedingungen leidet auch das familiäre Leben. Eine Vielzahl der Ärzte profitieren in Deutschland darüber hinaus nicht von einer guten Bezahlung, während im Ausland höhere Einkommen für Ärzte üblich sind.

Auswertungen einer Mitgliederumfrage des Marburger Bundes aus dem Jahr 2021 ergaben, dass immer mehr Ärzte Probleme mit der Überbelastung haben, weil sich Personalengpässe in den Kliniken weiter zuspitzen. Mehr als die Hälfte der Befragten berichtete über Stellenabbau oder Ankündigungen von Stellenabbau an ihrer Klinik. Beklagt werden außerdem wirtschaflichkeitsorienterierte Geschäftsführungen in Kliniken mit nur wenig Spielraum sowie die Belastung mit immer mehr nichtärztlichen Aufgaben und Bürokratie. Angesichts der Lage halten mehr als 80 Prozent der befragten Ärzte die Personallage für mangelhaft und sehen gleichzeitig die Patientenversorgung in Gefahr. Als Resultat der Situation kommt es zu immer mehr Fehlbeandlungen, was auch ethische Probleme bei Ärzten aufwirft. Von der Übebelastung betroffen sind auch bereits zahlreiche Assistenzärzte.

Eine frühere Untersuchung des Marburger Bundes ergab, dass ein Großteil der Ärzteschaft Symptome von Burnout bei sich feststellt. Andere Untersuchungen stellten bei einem Großteil der Ärzte erhöhte Risiken für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angsterkrankiungen sowie vermehrt Abhänggkeiten von Alkohol oder Medikamenten fest. Schaffen Politiker keine entscheidende Wende, sehen Experten zukünftig eine weitere Zuspitzung mit weitreichenden Folgen für den Ärztestand. Wie der Marburger Bund herausfand, zieht jeder vierte Arzt einen Berufswechsel oder eine Teilzeitstelle in Betracht.

Folgen für Patienten durch den Ärztemangel

Für viele Patienten dürften ebenfalls erst einmal schlechtere Bedingungen bestehen bleiben. Sie müssen zum Einen länger auf Termine und auf Behandlungen warten – inwieweit die Telemedizin hierbei über Videosprechstunden Lücken füllen und Entlastung bringen kann, bleibt abzuwarten. Zum anderen erhöht sich insbesondere in Kliniken mit Personalengpässsen das Risiko für Fehlbehandlungen.

Besonders in einigen ländlichen Gebieten kann sich die Versorgungslage verschlechtern und Patienten müssen teils sehr lange Wege in Kauf nehmen. In Notfällen, wo es auf jede Sekunde ankommt, geht damit ein größeres Risiko einher.

Wo stehen die deutschen Kliniken?

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht die Krankenhausstruktur angesichts vieler Probleme vor großen Veränderungen mit noch unabschätzbaren Folgen. Offensichtlich ist, dass sich die finanzielle Situation dramatisch weiter verschlechtert – Experten befürchten ein Gesamtdefizit von zehn Milliarden Euro. Kliniken sehen sich und ihre Beschäftigten nicht nur massiven Energiepreissteigerungen ausgesetzt, auch die Kosten für Lebensmittel, Medizinprodukte, Dienstleistungen und Bauprojekte sind massiv angestiegen. Um die Krankenhausstandorte zukünftig zu erhalten und weiteren Insolvenzen vorzubeugen, braucht es verlässliche und kostendeckende Erlöse. Die Zukunft vieler Kliniken bleibt ein wichtiges Thema, dass die Politik vor große Herausforderungen stellt und auch Reformen auf die Probe stellen wird.

Wie die Tageschau berichtete, bestreiten auf Anfrage manche Kliniken die von betroffenen Ärzten beschriebenen Probleme. Es mangele an Kontrollen der Landesbehörden, weshalb die Missstände amtlicherseits nicht aufgedeckt werden, reklamierte der Marbuger Bund.

Wie könnten sich die Probleme um den Ärztemangel in Deutschland lösen lassen?

Wenn Arbeitgeber den Arztberuf finanziell attraktiver machen, die Arbeitsbedingungen und Weiterbildungsoptionen verbessern und weniger lange Schichten fordern, wird der Beruf weniger anstrengend und familienfreundlicher.

So könnten sich mehr junge Menschen für diesen Beruf begeistern lassen. Auch eine Verkürzung des Medizinstudiums sehen Experten als Möglichkeit, die Berufswahl zu erleichtern und den Ärztemangel langfristig zu bekämpfen.

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Ernährungsberatung: Mit vollwertiger Ernährung bedarfsgerecht vorsorgen

Ernährungsberatung: Mit vollwertiger Ernährung bedarfsgerecht vorsorgen

Die größte Verantwortung, dem Ärztemangel entgegenzuwirken, sehen Experten allerdings bei den verantwortlichen Politikern.

Probleme, Ursachen und Zusammenhänge für die Mangellage sind klar, doch letztlich können nur von höherer Stelle verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen die Kliniken und niedergelassenen Ärzte in Deutschland sich langfristig auf einem sicheren finanziellen Boden bewegen und flächendeckend eine gute medizinische Versorgung sicherstellen können.

Nicht zuletzt kann dem zunehmenden Aufkommen von Volkskrankheiten durch eine gesunde Ernährung, gesunde Bewegung und ein gutes Stressmanagement entgegengewirkt werden. Wenn sich die Risikofaktoren durch Vorsorgemaßnahmen reduzieren lassen, nähme auch die Behandlungsbedürftigkeit und damit die Überbelastung der ärztlichen Kapazität ab.

Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen an den richtigen Stellschrauben drehen und die Krankenhausreform eine positive Wirkung zeigt.

Der Arbeitsmarkt bietet Ärzten auch Chancen

Allerdings bringt die prekäre Lage auch etwas Gutes für wechselinteressierte Ärzte mit sich, da aktuell kein Mangel an offenen Arbeitsstellen für Ärzte herrscht. Das Angebot auf dem Stellenmarkt ist groß. Wie auf dem Portal Ärztestellen, dem Stellenmarkt des Deutschen Ärzteblatts, aktuell zu sehen ist, sind in jedem Bundesland zahlreiche Ärztestellen unbesetzt, besonders in den Bundesländern NRW und in Bayern.

Nach Informationen der Bundesärztekammer kam es im Jahr 2023 zu einem erheblichen Anstieg bei der Anstellungen von Ärzten im ambulanten Bereich. Dieser lag bei 8,1 Prozent.

Autor: Katja Schulte | Redaktion
Datum: 22.12.2024
Bildquelle Titelbild © Bild Anna Shevts von Pexels

Quellen und weiterführende Informationen:

Klinikreform: Raus aus dem Hamsterrad?  ZDF heute. 17.04.2024

Krankenhausreform. Bundesministerium für Gesundheit

Ärztestellen. Deutsches Ärzteblatt.

ZI aktualisiert Bedarfsprojektion für Medizinstudienplätze. Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung. 15.02.2024

Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2024. Bundesärztekammer 

Ärztinnnen und Ärzte empfinden die Arbeitsbelastung als das entscheidende Problem. Marburger Bund. 16.02.2022

Assistenzärzte arbeiten oft zu lange. Tagesschau. 18.05.2023

Weber: 10 Milliarden-Defizit – Kliniken vor einer ungewissen Zukunft.  09.11.2023

Wichtige Hinweise zu Gesundheitsthemen

Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte beachten Sie hierzu die weiteren Hinweise zu Gesundheitsthemen

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