Die Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine ernstzunehmende Essstörung, die sich am häufigsten bei Teenagern vor dem Eintritt der Pubertät entwickelt. Oft sind Mädchen von dieser Form der Essstörung betroffen. Aber eine Anorexie kann auch Erwachsene treffen. Meistens erkranken jedoch Mädchen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren an Magersucht, denn in dieser Altersgruppe erkrankt insgesamt 1 Prozent aller Mädchen.
Nur einer von zwölf Erkrankten ist derzeit männlich (Manorexia), doch die Tendenz ist steigend. Aktuell gilt jeder fünfte Jugendliche als gefährdet, an einer Essstörung wie Magersucht zu erkranken.
Anorexia nervosa tritt häufiger in Industrieländern auf und betrifft häufiger Personen aus besser gestellten sozialen Bevölkerungsschichten.
Magersucht führt meist zu starkem Gewichtsverlust
Bei der Essstörung Magersucht kann der Gewichtsverlust erheblich sein.
Per Definition ist die Anorexia nervosa (griech./lat., bed. nervlich bedingte Appetitlosigkeit) eine krankhafte Essstörung, die durch einen starken, selbst verursachten Gewichtsverlust gekennzeichnet ist. Betroffene leiden dabei unter großer Angst vor einer Gewichtszunahme.
Bei einer Magersucht handelt es sich um eine ernst zunehmende Krankheit psychogener Natur. Zugrunde liegt der Erkrankung eine falsche Wahrnehmung von Körperform und Körpergewicht. In der Folge kommt es zu einer beständigen Verweigerung der Nahrungsaufnahme, die letztlich zum Gewichtsverlust führt.
Zwei Formen: Restriktiver und Purging-Typus
Magersucht kann in zwei Formen auftreten und im Verlauf von schweren körperlichen Komplikationen begleitet sein.
Bei der ersten Form verzichten Betroffene lediglich auf Kalorien (restriktiver Typus).
Bei der zweiten Form wird bereits ein Gewichtsverlust angestrebt, der nach der Kalorienaufnahme zum Erbrechen führt (Purging-Typus).
Magersüchtige wehren meistens eine Fremdbestimmung ab und die Kontrolle über den eigenen Körper steht im Vordergrund. Während am Anfang lediglich das Schlankwerden als zentrales Motiv galt, erleben Betroffene das Abnehmen nach jahrelangem Krankheitsverlauf als Sucht.
Mögliche Symptome von Magersucht
Zugrunde liegt eine falsche Selbstwahrnehmung und Störung des Körperschemas. Manchmal gehen bestimmte Formen von Essstörungen ineinander über oder die Symptome sind verändert, so dass ein Krankheitsbild bei Magersüchtigen auch individuell abweichend sein kann.
Viele von Magersucht Betroffene sind sichtlich untergewichtig und nehmen sich trotzdem als zu dick wahr. Ihre Gedanken konzentrieren sich hauptsächlich auf Themen zur Ernährung, trotzdem sie das Essen eigentlich ablehnen. Ihr Selbstwertgefühl machen sie außerdem stark davon abhängig, ob sie fähig sind, ihr Körpergewicht zu kontrollieren.
Betroffene verzichten besonders auf kalorienreiche Nahrungsmittel, die sie als „Fettmacher“ klassifiziert haben und leben nach strengen Diätplänen. Häufig befassen sie sich übertrieben mit dem Körpergewicht und Körpermaßen und betreiben außerdem exzessiv Sport. Manche Betroffene verbergen den Gewichtsverlust unter weiter Kleidung.
Der Purging-Typ der Anorexia nervosa beschleunigt die Gewichtsabnahme neben dem Erbrechen oftmals durch die missbräuchliche Einnahme von verschiedenen Medikamenten. Er nimmt zum Beispiel Abführmittel (Laxantien), Appetitzügler oder Diuretika (Entwässerungsmedikamente) oder verwendet auch Einläufe.
Im Unterschied zu Menschen, die für eine schlanke Figur gelegentlich abnehmen möchten, betreiben Magersüchtige auch bei normalem oder niedrigem Körpergewicht die Diät zum Abbau von Körpergewicht weiter.
Häufige körperliche Symptome
Zu den Symptomen, die auf eine Magersucht hindeuten können, zählen Schwindelgefühle und Ohnmachtsanfälle. Häufig treten auch die Schulterblätter und die Wirbelsäule deutlich hervor und es kommt zu einem starken Kälteempfinden durch fehlendes Körperfett.
Weitere mögliche Anzeichen bilden neben einer erniedrigten Körpertemperatur, hormonelle Störungen und trockene Haut. Es kann auch zum Ausbleiben der Periode (beinflussbar durch Anti-Babypille) kommen. Bei einigen Betroffenen bilden sich Lanugohaare an Armen, Rücken oder im Gesicht.
Bei einer bestehenden vorpubertären Magersucht kann eine ausbleibende oder verzögerte Entwicklung der Geschlechtsreife und Geschlechtsorgane auftreten.
Bei Magersucht fehlt oft die Krankheitseinsicht
Nur selten gestehen Magersüchtige ein, dass sie ein Problem haben. Oft sind es enge Angehörige oder Personen aus dem sozialen Umfeld, denen Veränderungen auffallen und die sich dann um Hilfe bemühen. Für Angehörige und Freunde von Betroffenen leisten verschiedene öffentliche und caritative Einrichtungen über Sorgentelefone wertvolle Dienste. Aber auch Magersüchtige selbst finden dort Hilfe, die anonym und meist bis auf die eigenen Telefonkosten auch kostenlos ist.
Ursachen von Magersucht
Es gelten verschiedene Faktoren als Auslöser. Bei vielen Magersüchtigen beginnt die Erkrankung mit einer „harmlosen“ Diät, die das Körpergewicht reduzieren soll. Neben familiärer Veranlagung, psychischen oder sozialen Ursachen können aber auch Rollenerwartungen eine Magersucht auslösen. Zu den möglichen Ursachen einer Anorexia nervosa zählen beispielsweise:
Zu den häufigen Ursachen zählen ein ungünstiger Einfluss der Familie, zum Beispiel in Bezug auf Harmoniestreben, mangelnde Konfliktlösungen und eine mangelnde Privatsphäre. Die Ursachen können auch genetischer Natur sein oder die Folge einer Depression.
Aber auch die Unterdrückung negativer Gefühle, Stress oder persönliche Faktoren, wie ein Mangel an Selbstwertgefühl stehen bei vielen Betroffenen am Anfang.
In Betracht kommen auch gesellschaftliche Faktoren, wie Rollenerwartungen oder berufliche Anforderungen, die etwa als Fotomodel, Schauspieler, Turner oder Tänzer erwartet werden. Auch Sportler stehen solchen Anforderungen in Bezug auf das Gewicht gegenüber.
Weitere Ursachen sind Schlankheitsideale, wie sie durch Medien und die Werbung propagiert werden.
In Frage kommen noch kulturelle Faktoren, beispielsweise die Kritik Anderer, der man nicht mehr ausgesetzt sein will.
Auslösende Faktoren für eine Magersucht sind auch sexueller Missbrauch oder Misshandlung.
Diagnose der Anorexia nervosa
Eine körperliche und psychische Untersuchung stehen im Zentrum. Die ärztliche Diagnose konzentriert sich bei Verdacht auf Anorexia nervosa zum einen auf die körperliche Untersuchung und den Ausschluss von Verdauungsstörungen und anderen Krankheiten, die ebenfalls zu starker Gewichtsabnahme führen können. Blutuntersuchungen geben Auskunft, ob es zu einer Nährstoffunterversorgung im Körper gekommen ist. Daneben untersucht der Arzt, ob möglicherweise auch eine Depression oder eine andere psychische Störung vorliegt.
Ähnlichkeiten zwischen Biggerexie und Magersucht
Eine ähnliche Essstörung ist ein krankhafter Muskelwahn bei Männern – Biggerexie, auch Muskeldysmorphie genannt, ist eine typisch männliche Essstörung. Die Betroffenen glauben, dass sie nicht muskulös und athletisch genug sind. Die Krankheit Biggerexie weist Symptome auf, die einer Magersucht ähneln.
Abgrenzung von Magersucht zu Bulimie
Das bedeutendste Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Essstörungen Magersucht und Ess-Brech-Sucht-ist das Körpergewicht. Hauptsächlich dadurch grenzt sich die Anorexia nervosa von der Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) ab. Eine Anorexia nervosa liegt vor, wenn der Body-Mass-Index (BMI) unter 17,5 liegt und das Untergewicht selbst herbei geführt wird. Liegt der BMI darüber, kann das ein Hinweis auf eine Bulimie sein.
Körperliche Folgen der Magersucht
Magersucht kann gefährliche Auswirkungen haben. Die Anorexia nervosa wird als die Tödlichste aller Essstörungen eingestuft, denn etwa 15 Prozent der Betroffenen sterben infolge der körperlichen Beeinträchtigung oder durch Suizid nach einer Depression.
Eine dauerhafte Unterernährung, wie sie mit der Magersucht verbunden ist, wirkt sich bei einigen Überlebenden folgenschwer auf viele Körperbereiche aus.
Ungefähr 20 Prozent der Überlebenden werden in Verbindung mit einer professionellen Behandlung vollständig geheilt, während weitere 20 Prozent der Betroffenen dauerhaft unter Langzeitfolgen wie Osteoporose oder Niereninsuffizienz leiden.
Die verbleibenden 60 Prozent bleiben in wechselnder Ausprägung magersüchtig und leben bei normalem Gewicht mit abweichenden Ernährungsgewohnheiten. In Verbindung mit Stress können die Symptome der Magersucht erneut auftreten. Auch entsteht bei einem Teil nach bis zu 5 Jahren eine Ess-Brech-Sucht (Bulimie).
Mögliche Folgen der Anorexia nervosa
Eine Magersucht kann zahlreiche und mitunter schwere Folgen haben. Sie kann sich auf das Herz-Kreislaufsystem auswirken und zu niedrigem Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, verlangsamtem Herzschlag und auch dem plötzlichen Herztod führen..
Auf die Organe kann sie sich in Form von Darmträgheit, chronischer Verstopfung, Magenkrämpfen und Übelkeit sowie durch Blasenschwäche und Nierenversagen auswirken.
Das Blut kann die Anorexia nervosa durch Unterzuckerung, Blutarmut, Hypokaliämie mit Herzrhythmusstörungen, Thrombozytopenie und Leukozytopenie beeinflussen.
Außerdem kann sie sich auf die Knochen auswirken und zu Osteoporose führen. Durch häufiges Erbrechen werden Karies und Erosionen gefördert. Grund dafür ist die aufsteigende aggressive Magensäure.
Auch für den Hormonhaushalt können sich Folgen ergeben. Neben Potenzstörungen, Unfruchtbarkeit und niedrigen Hormonkonzentrationen kann sich eine erhöhte Konzentration von Glukokortikoiden ergeben.
Maßnahmen und Therapie bei Magersucht
Oft wird bei dieser Essstörung eine langfristige professionelle Begleitung notwendig. Nur selten reicht es bei Betroffenen aus, die Symptome von Magersucht mit entsprechenden Pharmazeutika zu behandeln. In vielen Fällen scheitern eine Heilung und Therapie an der Einsicht des Betroffenen.
Wenn der Betroffene körperlich stark geschädigt ist oder das Risiko besteht, dass er sich selbst einen Schaden zufügt, kommt es zu einer Einweisung in ein Krankenhaus. Es ist möglich, dass der Betroffene für längere Zeit aus seinem belastenden Umfeld herausgenommen wird, um eine umfassende stationäre Therapie durchzuführen. In solchen Fällen, die weniger akut sind, kann die Behandlung unter ärztlicher Überwachung auch zuhause erfolgen.
Ziel der Therapie ist eine Gewichtszunahme, die sich an einem festgesetzten Zielgewicht orientiert und durch eine professionelle Ernährungsberatung begleitet wird. Neben wichtigen Informationen zum Thema Ernährung und Gesundheit wird ein individueller Ernährungsplan aufgestellt, der im besten Falle von einem Angehörigen zuhause zusätzlich überwacht wird.
Bei vielen Betroffenen kommt daneben eine psychotherapeutische Behandlung zum Einsatz. Je nach Therapieziel entwickeln Patienten ein normaleres Selbstbild oder entsprechende Verhaltensänderungen.
Spezialisierte Einrichtungen
Das komplexe Krankheitsbild der Anorexia nervosa erfordert eine Vielzahl von Maßnahmen, auf die sich einige Kliniken spezialisiert haben. Zur Anwendung können dabei sowohl die körpermedizinische wie auch die psychotherapeutische Behandlung kommen.
Weitere Behandlungsoptionen sind die systemisch-familientherapeutische Behandlung, eine tiefenpsychologische Behandlung und die Therapie zur Selbsthilfe.
Eine weitere Option ist die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung.
Kombinierte Therapien
Essstörungen werden bei einigen Patienten mit einer Kombination aus ambulanter Therapie am Wohnort und phasenweiser stationärer Therapie in einer geeigneten Einrichtung behandelt.
Wenn Probleme innerhalb der Familie vorhanden sind, die zur Erkrankung beigetragen haben, kann eine Familientherapie zur sinnvollen Maßnahme werden. Die Familie lernt durch Regeln mit Gefühlen und Konflikten kommunikativ umzugehen.
Text: Katja Schulte Redaktion
Datum: 12/2016 | aktualisiert 08.12.2022
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Quellen und weiterführende Informationen:
Horst-Reinhard Nitz. Anorexia bei Jugendlichen. Kontext der Störung und Ergebnisse familientherapeutischer Behandlungen. Springer, Berlin 1987
G. Schmidt. Familientherapie bei Patienten mit Essstörungen, insbesondere bei Anorexia nervosa. In Jutta Brakhoff (Hrsg.). Essstörungen. Ambulante und stationäre Behandlung. Lambertus, Freiburg 1985
Michael Schulte-Markwort, Sabine Zahn. Magersucht. Effektive Hilfe für Betroffene und Angehörige. Patmos Verlag, Ostfildern 2011
Dr. David R. Goldmann. Praxishandbuch Medizin und Gesundheit. Verlag Dorling Kindersley. 2002
Wichtige Hinweise zu Gesundheitsthemen
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