Etwa 2 Prozent aller jungen Frauen erkranken nach einer vorausgegangenen Magersucht an der Essstörung Bulimie (Bulimia nervosa). Oft wird diese Form der Essstörung auch als Ess-Brech-Sucht bezeichnet. In Deutschland sind etwa 600.000 Frauen von Bulimie betroffen, wobei Experten eine hohe Dunkelziffer vermuten.
Obwohl noch am häufigsten junge Frauen von der Ess-Brecht-Sucht betroffen sind, steigt auch die Zahl der an Bulimie erkrankten Männer zunehmend. Auf zehn erkrankte Frauen kommt bei der Bulimie statistisch derzeit ein Mann. Die Krankheit entsteht in der Regel im Alter zwischen 18 und 30 Jahren.
Eine frühe Therapie erhöht die Heilungsaussicht. Je eher eine Bulimie behandelt wird, desto besser ist die Prognose. Zur Behandlung von Essstörungen stehen umfangreiche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.
Das Essverhalten gerät bei Bulimie außer Kontrolle
Bei der Bulimie (griech. bed. Ochsenhunger) handelt es sich um eine suchtartige Erkrankung mit einer Körperschemastörung, bei der das Essverhalten außer Kontrolle gerät. Betroffene sind immer um ihr Gewicht, ihre Körperform und ihr Erscheinungsbild besorgt. Die suchtartige Erkrankung fokussiert sich auf den Kontrollverlust beim Essen.
Die sogenannte Ess-Brech-Sucht ist geprägt durch wiederkehrende Heißhungerattacken. Bei diesen werden unkontrolliert übermäßig große und zumeist kalorienreiche Nahrungsmengen aufgenommen, die die meisten Betroffenen im Anschluss durch künstlich herbeigeführtes Erbrechen in Kombination mit gewichtsreduzierenden Präparaten wieder ausleiten.
Zwei verschiedene Typen
Fachleute unterscheiden bei der Ess-Brech-Sucht zwischen dem häufig vorkommenden Purging-Typ und dem selteneren Non-Purging-Typ.
Purging-Typ
Beim Purging-Typ kommt es nach dem Essen zum Erbrechen. Die Erkrankung geht auch mit der missbräuchlichen Verwendung von Abführmitteln und Entwässerungsmitteln einher.
Non-Purging-Typ
Der Non-Purging-Typ zeigt kein herbeigeführtes Erbrechen und keinen Medikamentenmissbrauch. Es kommt zwischen den Heißhungerattacken zum Fasten. Auch exzessiver Sport kennzeichnet diesen Typ von Bulimiker.
Symptome der Bulimie
Manchmal gehen bei einer Bulimie bestimmte Formen von Essstörungen in einander über oder Symptome sind verändert, so dass ein Krankheitsbild individuell abweichen kann. Bulimiker befinden sich in einem Dauerstress zwischen Essen und Gewichtszunahme. Die Gedanken der Betroffenen kreisen dauerhaft ums Essen.
Außerdem leben Betroffene in ständiger massiver Angst vor einer Gewichtszunahme und empfinden außerdem Scham über den Kontrollverlust sowie über das eigene Versagen. Sie praktizieren in der Regel keine Diäten, sondern hungern tageweise. Danach verzehren sie unkontrolliert Lebensmittel mit vielen Kalorien, oft auch Süßigkeiten, die aber nicht zur Gewichtszunahme führen dürfen und die sie deshalb durch Erbrechen, Abführmittel oder extremes Sporttreiben los werden möchten. Das Gewicht kann mitunter stark variieren.
Bulimiker können normalgewichtig, untergewichtig oder übergewichtig sein. Oft haben Betroffene ein ganz normales Gewicht, allerdings weisen sie viele Symptome von Mangelernährung auf.
Viele Bulimiker machen heimlich Einkäufe
Ein weiteres Symptom der Bulimie sind heimliche Einkäufe, die Bulimiker machen. Um ihren auffällig hohen Konsum an kalorienreichen Lebensmitteln geheim zu halten, weichen Erkrankte häufig auf verschiedene Geschäfte aus.
Bei Bulimie kommt es unterschiedlich häufig zu Heißhungerattacken
Heißhungerattacken können bei Ess-Brecht-Sucht verschieden häufig auftreten. In der Regel kommen Heißhungerattacken als Symptom der Bulimie mehrmals wöchentlich vor, in einigen Fällen aber auch täglich, dann oftmals abends oder nachts. Es können aber auch mehrere Wochen zwischen zwei Ess-Brech-Attacken vergehen. Bei einem Essanfall kann die Kalorienaufnahme bis zu 10.000 Kalorien betragen.
Bulimie wird vermutet, wenn die Heißhungerattacken über einen Zeitraum von 3 Monaten mindestens 2 mal pro Woche auftreten.
Häufige Begleiterscheinungen der Ess-Brech-Sucht
Die Ess-Brechsucht kann von autoaggressivem Verhalten oder dem Missbrauch von Nikotin, Medikamenten, Alkohol oder Drogen führen. Weitere Begleiterscheinungen können Karrieredrang, Kaufsucht, Frustkäufe oder sogar Ladendiebstahl sein.
Verlauf und Folgen der Bulimie
Die körperlichen Auswirkungen und Folgen der Bulimie können zahlreich und schwerwiegend sein. Im schlimmsten Fall führen die Folgen zum Tod.
Häufige Folgen für Bulimiker
Eine Bulimie kann mit zahlreichen und auch ernsthaften gesundheitlichen Folgen verbunden sein. Häufig kommt es zu Karies infolge des häufigen Erbrechens sowie zu Entzündungen der Speiseröhre, Heiserkeit und Schluckstörungen.
Manche weibliche Betroffene stellen in Folge der Bulimie auch eine unregelmäßige oder ausbleibende Menstruation fest.
Weitere Folgen können ein gestörter Säure-Basenhaushalt, Haarausfall und Durchfall sein. Es kann außerdem zu trockener Haut, Stoffwechselveränderungen und Veränderungen des Gehirns oder Depressionen kommen. Zu den möglichen schweren Folgen zählen neben Herz- und Nierenfunktionsstörungen auch Herzversagen, Nierenversagen und Magenkrankheiten.
Viele Bulimiker geraten in die soziale Isolation und einige haben Suizidgedanken.
Abgrenzung zwischen Bulimie und Magersucht
Bei der Ess-Brech-Sucht kommt es meistens nicht zur extremen Gewichtsabnahme. Im Gegensatz zur gefährlichsten aller Essstörungen, der Magersucht (Anorexia nervosa), leiden die meisten Betroffenen bei Ess-Brech-Sucht meistens nicht an Untergewicht. Zwar treten bei Magersucht keine Heißhungerattacken auf, jedoch ähneln sich die Ursachen der Entstehung.
Es können immer auch Mischformen von Ess-Brech-Sucht mit anderen Essstörungen auftreten.
Auslöser und Ursachen der Bulimie
Bei der Ess-Brech-Sucht liegt mehr als eine Ursache zugrunde. Damit eine Bulimie ausgelöst wird, müssen verschiedene Faktoren zusammenwirken. Diese Faktoren betreffen oft ganz verschiedene Bereiche.
Häufige Auslöser für die Heißhungerattacken sind psychischer Stress, Unzufriedenheit mit der eigenen Person, Gefühle von Verlassenheit oder auch berufliche Gründe, wie sie zum Beispiel auf Fotomodelle oder Sportler zutreffen können.
Auch Faktoren wie ein geringes Selbstwertgefühl oder Minderwertigkeitskomplexe, die Orientierung an Schönheitsidealen oder Angst vor Gewichtszunahme und Diäten können mit auslösend wirken.
Möglich ist auch, dass ein vorausgegangenes traumatisches Ereignis, ein erhöhter Leistungsdruck oder Überforderung ursächlich sind. Sexueller Missbrauch, Misshandlung und emotionale oder körperliche Vernachlässigung zählen zu den weiteren Ursachen, die zu einer Bulimie führen können.
Bei manchen Betroffenen bilden dagegen familiäre Probleme, eine mangelnde Selbstständigkeit oder ein gestörtes Konfliktlösungsverhalten einen der auslösenden Faktoren. Auch genetisch bedingte Ursachen können eine Ursache sein.
Durch das Erbrechen kommt es zu einem Energiedefizit, das den nächsten Essanfall auslösen und ihn weiter verstärken kann. Die Essanfälle können bei der Ess-Brech-Sucht planmäßig stattfinden, aber auch durch einen Kontrollverlust ausgelöst werden.
Therapie
Die Essstörung Bulimie benötigt in der Regel in erster Linie eine psychotherapeutische Behandlung. Je nach Zustand des Betroffenen, kann außerdem medizinische oder zahnmedizinische Hilfe notwendig werden. Der Arzt oder die Beratungsstelle entscheiden im Einzelfall, ob eine ambulante oder stationäre Therapie angebracht ist. Am häufigsten kommt die ambulante Therapie zum Einsatz. Auch Antidepressiva können bei der Therapie zum Einsatz kommen. Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) bieten eine weitere Behandlungsoption die von Therapeuten eingesetzt werden kann. Allerdings verspricht der Einsatz dieser Präparate wohl keinen Erfolg bei Patienten mit starkem Untergewicht sowie bei Patienten, die von Magersucht betroffen sind.
Zu stationären Therapien kommt es in mitunter in solchen Fällen, in denen beispielsweise Suizidgefahr besteht oder schwere psychische Störungen vorliegen. Aber auch, wenn mehrere ambulante Therapien gescheitert sind, kann eine stationäre Behandlung der Bulimie in Betracht kommen.
In vielen Fällen reichen bei der Bulimie leichtere Therapiemaßnahmen aus wie beispielsweise eine angeleitete Selbsthilfe, die unter Anleitung eines Therapeuten in einem Selbsthilfeprogramm stattfindet. Wenn andere Erkrankungen bestehen oder es durch die Bulimie zu körperlichen Problemen gekommen ist, werden diese medizinisch behandelt.
Damit eine Therapie erfolgreich sein kann, muss der Patient motiviert sein und einen eigenen Willen mitbringen. Er muss die Erkrankung überwinden wollen.
Eine Behandlungsmöglichkeit bieten neben der Verhaltenstherapie auch Familientherapien und psychoanalytisch orientierte Therapien, die als Einzeltherapie oder als Gruppentherapie durchgeführt werden können. Bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 17 Jahren hat sich neben der kognitiven Verhaltenstherapie besonders auch die interpersonale Therapie bewährt. Daneben können auch eine Kunsttherapie, Musiktherapie oder ein Entspannungsprogramm Teil der Behandlung werden.
Auch eine Reha-Behandlung und eine Ernährungsberatung, beziehungsweise eine Ernährungstherapie kann Teil der Behandlung bei der Essstörung Bulimie werden. Es geht darum, das Essverhalten zu normalisieren und die Heißhungerattacken in den Griff zu bekommen. Bei Maßnahmen zur Ernährung können sich Betroffene Ernährungswissen über gesunde Ernährung aneignen und sich mit ihrem Essverhalten auseinander setzen. Eine Rolle spielt dabei häufig auch die detaillierte Aufstellung der bisher selbst auferlegten Diät mit den erlaubten und nicht erlaubten Speisen, bei der auch die aufgetretenen Heißhungerattacken eine Rolle spielen.
Selbsthilfegruppen können bei Bulimikern unterstützend wirken und den Heilungserfolg fördern.
Therapeuten empfehlen auch die Teilnahme von Eltern der Betroffenen an Gruppen, die über die Erkrankung aufklären, um ein besseres Verständnis zu erhalten.
Eine geringe Krankheitseinsicht besteht bei vielen jüngeren Bulimikern, insbesondere auch, wenn sie von chronischer Magersucht betroffen sind.
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Text: Katja Schulte Redaktion
Datum: 12/2016 | aktualisiert 14.01.2024
Quellen und weiterführende Informationen:
Anad e.V. Essstörungen: Bulimia nervosa
Aus Gesundheits-Berichterstattung des Bundes, Themen-Heft 20, Gesundheitsberichterstattung des Bundes 27.06.2015
Manfred M. Fichter. Magersucht und Bulimie. Mut für Betroffene, Angehörige und Freunde. Karger, Basel u. a. 2008
Peggy Claude-Pierre. Der Weg zurück ins Leben. Magersucht und Bulimie verstehen und heilen. Aus dem Amerikanischen von Gabriele Herbst. 4. Auflage. Fischer, Frankfurt 2006
Willibald Pschyrembel. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 2015. Ausgabe, 266. Auflage Verlag, de Gruyter
Iris Absenger. Die verkörperte Essstörung. Anorexie, Bulimie, Adipositas; Erleben erleiden. Umfassender Therapieüberblick und ein Körperausdrucksmodell, Centaurus, Herbolzheim. 2005
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