Cystein (Cys) ist eine schwefelhaltige Aminosäure, die im menschlichen Körper wichtige Funktionen übernimmt. Sie zählt zu den proteinogenen Aminosäuren und ist auch unter den Namen L-Cystein oder R-Cystein bekannt. Diese Aminosäure ist teilweise lebensnotwendig (semi-essentiell), so dass der Körper in der Leber einen Teil selbst aus speziellen Vorläufermolekülen herstellen kann, während der übrige Cysteinanteil üblicherweise aus cysteinhaltigen Lebensmitteln stammt. Die notwendigen Vorläufermoleküle für die Cysteinbildung bilden neben Serin und Methionin auch das schwefelhaltige Homocystein.
Wei Säuglinge noch keine Fähigkeit zur körpereigenen Cysteinbildung besitzen, sind sie auf die Cysteinzufuhr aus der Muttermilch oder auf einen entsprechend angereicherten Milchersatz angewiesen. Bei Säuglingen wird diese Aminosäure deshalb als lebensnotwendig (essentiell) eingestuft. Auch bei einem bestehenden Methioninmangel und bei Leberzirrhose ist die Aminosäure für Betroffene essentiell.
Wirkung und Funktion von Cystein
Cystein bildet zusammen mit den Aminosäuren Glutamin und Glycin das körpereigene Antioxidans Gluthation, das Forscher als stärkstes wasserlösliches Antioxidans im Körper zur Inaktivierung zellschädigender schädlicher freier Radikale einstufen.
Zudem bildet Cystein eine Vorläufersubstanz vom aminosäureähnlichen Taurin, dem wichtige Funktionen im Herz-Kreislaufsystem, im Verdauungssystem und Nervensystem zukommen.
Auch für das Coenzym A bildet für die Aminosäure eine Vorläufersubstanz.
Wirkung von Cystein in Körpergeweben
In der Haut, den Haaren und Nägeln zeigt die Aminosäure eine stützende und wachstumsfördernde Wirkung. Insbesondere für die Haargesundheit spielt sie eine Rolle, denn sie ist neben der Aminosäure Methionin der zweite wichtige Bestandteil beim Aufbau des Haarstrukturproteins Keratin. In der Haut kurbelt Cystein dagegen die Kollagenproduktion an und festigt so das Gewebe.
Eine stützende und festigende Wirkung übt die Aminosäure außerdem in Muskeln, Bindegewebe, Knochen und Knorpeln aus. In den betreffenden Körpergeweben sind große Cysteinanteile gespeichert.
Funktion bei der Entgiftung
Durch seine Bindungsfähigkeit an schädliche Schwermetalle übernimmt Cystein eine beschleunigende Funktion bei der Entgiftung des Körpers. In diesem Zusammenhang ist der Schwefelgehalt von Bedeutung.
Die frühzeitige Gabe kann im Verbund mit Glutathion und Cysteamin (decarbolisiertes Cystein) Strahlenschäden deutlich verringern.
Ein Stoffwechselprodukt der Aminosäure fördert die Entgiftung von Medikamenten, Alkohol und Bakterien.
Funktion im Immunsystem
Cystein nimmt positiven Einfluss auf die Immunzellen des körpereigenen Abwehrsystems.
Es zählt neben Gluthation und Cysteamin zu den wichtigsten Bestandteilen des antioxidativen Schutzsystems im Körper.
Funktion beim Blutzuckerspiegel
Als Bestandteil des Glukosetoleranzfaktors (GTF) übt Cystein eine Funktion bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels aus.
Beim Glukosetoleranzfaktor geht es um einen Komplex in Verbindung mit der biologisch aktiven Form von Chrom.
Cysteinmangel
Experten nennen mehrere Ursachen, die dafür verantwortlich sein können, dass ein Cysteinmangel entsteht. Eine der genannten Ursachen ist die zu geringe Aufnahme cysteinhaltiger Lebensmittel.
Cysteinmangel kann aber auch entstehen, wenn die beiden Vorläufersubstanzen Serin und Metheonin nicht in ausreichender Menge verfügbar sind und deshalb die körpereigene Cysteinproduktion vermindert ist.
Weitere Ursachen für einen Mangel an Cystein können verschiedene Erkrankungen sein, die einen Cysteinmehrbedarf erfordern. Darunter fallen beispielsweise Erkrankungen wie Parkinson, Krebs oder Arthrose.
Zur Risikogruppe für die Entwicklung eines Cysteinmangels zählen insbesondere Säuglinge und Personen, die sich nicht ausgewogen genug ernähren sowie Personen mit einem bestehenden Mehrbedarf.
Mögliche Symptome bei Cysteinmangel
Symptome zeigen sich oft zuerst in den Körperbereichen, in denen Cystein eine direkte Funktion entfaltet. Neben spröden, brüchigen Haaren und Nägeln kann es zu zu faltiger, rissiger und spröder Haut kommen. Außerdem können Atemwegsinfektionen und Abwehrschwächen auftreten und die Infektanfälligkeit steigt.
Anwendungsgebiete von Cystein
Therapeutisch, unterstützend oder vorbeugend wird die Aminosäure auf zahlreichen Gebieten eingesetzt. Neben dem Ausgleich von Cysteinmangel kommt Cystein therapeutisch bei Vergiftungen mit Silber und Paracetamol zur Anwendung. Bei Lungenentzündungen, Bronchitis und grippalen Infekten kommt die Cysteinform N-Acetylcystein therapeutisch zur Anwendung.
Vorbeugend wirkt es gegen Strahlenschäden und bei erhöhtem Bedarf. Weitere Anwendungsbereiche bieten Erkrankungen wie grauer Star, Magenentzündung, Magengeschwür und Schuppenflechte (Psoriasis). Unterstützend kommt Cystein bei der Entgiftung von Schwermetallen, Medikamenten, Alkohol und Bakterien zum Einsatz.
Verwendet wird Cystein vorbeugend zur Stärkung des Immunsystems, indem es die Immunzellen aktiviert. In Verbindung mit Vitamin B1 und Zink wirkt es außerdem vorzeitigem Haarausfall entgegen.
Uneinig sind sich Mediziner im Hinblick auf die Wirksamkeit beim Einsatz von 2 mal 600 Milligramm Acetylcystein täglich, die Risikopatienten vor Röntgenmaßnahmen erhalten, um akutem Nierenversagen vorzubeugen. Studien dazu zeigten im Vergleich uneinheitliche Ergebnisse.
Studienergebnisse
Viele Studien und Vorstudien befassen sich mit Eigenschaften und Wirkungen vom natürlichen Cystein und dem synthetisch hergestellten Molekül N-Acetylcystein (NAC).
Ein Forschungsbereich ist die Psychiatrie, wo Acetylcystein bei Schizophrenie, Depressionen und Zwangsstörungen erfolgreich zum Einsatz kam, ein anderer die intravenöse Gabe bei idiopathischer Lungenfibrose.
In den Forschungsbereichen Aids und COPD wurden zunächst erfolgreiche Studienergebnisse nach Gabe von Acetylcystein durch Nachfolgestudien ganz oder teilweise revidiert.
Therapeutische Anwendung
In den meisten Fällen, in denen eine therapeutische Behandlung angezeigt ist, lässt sich ein Cysteinmangel nicht durch die Ernährung ausgleichen. Oft kommen deshalb spezielle Präparate mit dem Inhaltsstoff L-Cystein oder N-Acetylcystein zur Anwendung.
Bei therapeutischer Anwendung werden Cysteinpräparate in Tagesdosen zwischen 0,5 bis 1,5 Gramm angewendet. Erkrankungen wie Arthrose und Krebs können eine höhere Dosierung erfordern.
Nebenwirkungen und Überdosierung bei L-Cystein und Cystin
Der Körper verstoffwechselt das eingenommene L-Cystein schnell in die verwandte Substanz Cystin. Durch zu hohe Cysteindosen steigt das Risiko für Nierensteine. Das Risiko kann jedoch durch zusätzliche Gabe von Vitamin C vermindert werden, weil Vitamin C die Umwandlung von L-Cystein hemmt.
Bei Überdosierung wird eine Insulinausschüttung behindert und die Blutgerinnungszeit kann sich verringern. Mediziner empfehlen insbesondere Personen mit Blutgerinnungsstörungen und Diabetikern keine Einnahme ohne vorherige ärztliche Rücksprache.
Das Stoffwechselprodukt Cystin, das aus zwei Cystein-Molekülen zusammengeführt ist, erhöht das Risiko für Nierensteine und besitzt im Gegensatz zu Cystein keine antioxidative Kapazität.
Cystein in Nahrungsergänzungsmitteln
Viele Nahrungsergänzungsmittel enthalten Cystein in Form von L-Cystein oder N-Acetylcystein. Bei N-Acetylcystein handelt es sich um eine synthetisch hergestellte Substanz mit vergleichbarer Wirkweise, die oft aus menschlichen oder tierischen Haaren und Federn gewonnen wird.
Alternativ erhältlich sind vegane Cysteinpräparate zur Nahrungsergänzung auf Pflanzenbasis. Gewonnen wird die Aminosäure dabei durch Fermentation aus Pflanzen oder speziellen Spurenelementen. Möglich ist die Herstellung ebenfalls durch Fermentation aus Bakterien, die auch gentechnisch verändert sein können.
Cysteinhaltige Nahrungsergänzung ist in der Lage, im Körpergewebe den Gluthation-Spiegel anzuheben, so dass die antioxidative Kapazität im Körper steigt und das Immunsystem unterstützt wird.
Beliebt ist Nahrungsergänzung mit Cystein beispielsweise, um den vorzeitigen Alterungsprozess zu verlangsamen und das Haarwachstum zu fördern. Cysteinsupplemente können neben der Haarfestigkeit auch die Haardichte und den Haardurchmesser positiv beeinflussen.
Experten sehen allerdings bei Personen ohne Mehrbedarf, die sich ausgewogen ernähren und bei denen keine Anzeichen für ein Cysteindefizit bestehen, keine Notwendigkeit für eine vorsorgliche Anwendung.
Eine Überdosierung sollte bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Cystein vermieden werden, um unerwünschte Wirkungen auszuschließen.
Abgeraten wird von der Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln mit dem Inhaltsstoff Cystin wegen der fehlenden Wirkung gegen zellschädigende freie Radikale und des Risikos für Nierensteine.
Täglich zu deckender Cysteinbedarf
Der Tagesbedarf an Cystein, beziehungsweise Methionin, den Experten für einen gesunden Erwachsenen angeben, liegt bei 13 mg/kg Körpergewicht. Diese Menge deckt den normalen Cysteinverbrauch.
Eine Zufuhrempfehlung für Cystein durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. besteht aktuell nicht.
Cystein in Lebensmitteln
Nicht alle proteinhaltigen Lebensmittel enthalten auch gleichzeitig Cystein. In vielen Lebensmitteln finden sich nur sehr geringe und gleichzeitig schwer messbare Cysteinkonzentrationen, so dass Cystein mengenmäßig in der Regel zusammen mit seiner Vorläufersubstanz Methionin gemessen und angegeben wird.
Zu den pflanzlichen Produkten, die nennenswerte Konzentrationen an Cystein und Methionin enthalten, zählen Kohlsorten wie Rosenkohl, das Spargelgemüse Brokkoli, grüne Erbsen und Spinat, Sonnenblumenkerne, Walnüsse, Sojabohnen, Reis, Mais und Weizen-Vollkornmehl. Messbar sind Cysteingehalte zwischen 1,2 und 2,3 Prozent. Auch in Gewürzen wie Ingwer ist Cystein enthalten.
In unverarbeiteten tierischen Lebensmitteln wie Kuhmilch, Lachs, Hähnchenbrustfilet, Schweinefleisch und Hühnerei sind Cysteingehalte zwischen 0,9 und 2,2 Prozent nachweisbar.
Zu beachten ist, dass durch die Hitze bei der Zubereitung von warmen Speisen Cysteinverluste und Methioninverluste entstehen.
Manchmal wird in Lebensmitteln mengenmäßig auch das nachfolgende Stoffwechselprodukt Cystin angegeben, da es in höheren, besser messbaren Konzentrationen nachweisbar ist.
Die Cysteinzufuhr über Lebensmittel ist jedenfalls ausschlaggebend für die vom Körper produzierte Menge an Glutathion.
Cysteinhydrochlorid (E 920) darf ohne Höchstmengenbeschränkung bei der Backwarenproduktion als Backmittel und Mehlbehandlungsmittel eingesetzt werden, um den Teig geschmeidiger zu machen und die Entwicklungszeit zu verkürzen. Es muss auf fertiggestellten Backwaren nicht gekennzeichnet werden.
Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 18.06.2023
Bildquellen:
Titelbild: © Infothek-Gesundheit
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Quellen und weiterführende Informationen:
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