Mikrobiologische Therapie nutzte Eigenimpfung

Körpereigene Coli Bakterien fördern die Infektabwehr bei Blasenentzündungen. Bei chronischen und wiederkehrenden Blasenentzündungen bot eine Eigenimpfung mit Darmbakterien aus dem Stamm Escherichia coli im Rahmen der Mikrobiologischen Therapie eine weitere therapeutische Option. Individuell abgestimmt, kann eine Eigenimpfung mit dem speziellen Individualarzneimittel das körperliche Immunsystem stärken und so das Risiko für ständige Blasenentzündungen senken.

Zum Einsatz gegen den schmerzhaften Unterleibsinfekt kamen in der Mikrobiologischen Therapie sogenannte Autovaccine, die aus patienteneigenem Material hergestellt wurden. Doch nun ist die Therapie mit den Autovaccinen erst einmal wegen Zulassungsproblemen ausgesetzt.

Neben dem Einsatz bei chronischen Infekten forscht man mit Autovaccinen lange Zeit auch schon in der Tumor-Therapie.

Je nach Ausgangssituation des Betroffenen, werden dabei körpereigene Erreger aus Stuhl, Urin oder Abstrichen von Nase, Rachen oder Mund für die Eigenimpfung aufbereitet.

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Mikrobiologische Therapie

Schwache Immunabwehr begünstigt Blasenentzündungen

Von ständigen Blasenentzündungen sind vor allem Frauen mit einer schwachen Immunabwehr betroffen. Ursächlich sind für Blasenentzündungen oftmals die eigentlich nützlichen Darmbakterien, die aus der Darmflora in die Blase wandern und dort einen Infekt auslösen.

Etwa 40 % aller Harnwegsinfektionen werden durch solche Darmkeime ausgelöst, von diesen gilt der Bakterienstamm E. coli als häufigster Erreger.

Daneben können auch Geschlechtsverkehr und Harnabflussstörungen eine Unterleibsinfektion auslösen.

Eigenimpfung als Alternative zu Antibiotika?

Coli Bakterien zeigen sich gegen Antibiotika oft unwirksam. Häufig werden chronische und wiederkehrende Blasenentzündungen, die neben Schmerzen meist auch mit blutigem Urin und häufigem Harndrang verbunden sind, mit Antibiotika behandelt.

Bei vielen Patientinnen erweist sich eine Antibiotikatherapie aber dauerhaft nicht als wirksam und es kommt bei ihnen erneut zu Blasenentzündungen. Grund für die Unwirksamkeit ist nicht selten die Fähigkeit der entzündungsauslösenden Darmkeime, ihre Form verändern zu können und so in Bereiche der Blase vorzudringen, die von den Wirkstoffen in den Antibiotika nicht erreicht werden. In diesen Fällen bot die Mikrobiologische Therapie bisher eine Möglichkeit, mit Hilfe von Eigenimpfungen die körpereigene Abwehr zu beeinflussen, so dass das Immunsystem die Keime frühzeitig erkennen und ausschalten kann, noch bevor sie eine Entzündung auslösen.

Bei der Eigenimpfung handelte es sich aber nicht um eine Impfung im eigentlichen Sinne, da keine Antikörper gebildet werden. Die Eigenimpfung zielt dagegen über das Individualarzneimittel auf die Anpassung und Stärkung der körpereigenen Systeme ab und fördert die körperliche Fähigkeit zur Selbstheilung.

Bei Patientinnen, bei denen Antibiotika nicht wirksam waren, konnte die Eigenimpfung im Rahmen der Mikrobiologischen Therapie eine mögliche Alternative darstellen. Auch für Patientinnen, die die regelmäßige Einnahme von Antibiotika vermeiden möchten, konnten sich Eigenimpfungen als Behandlungsform anbieten.

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Mittel zur Eigenimpfung wird aufwändig hergestellt

Nicht alle Coli Bakterien eigen sich.

Das Arzneimittel zur Eigenimpfung bei chronischen und wiederkehrenden Blasenentzündungen wurde aus patienteneigenem Stuhl in einem aufwändigen Verfahren hergestellt.

Weil nicht alle im Stuhl vorhandenen Colibakterien nützlich sind und sich für eine Eigenimpfung eignen, waren zur Herstellung des Individualarzneimittels im Labor aufwändige Verfahren nötig, in denen die Colibakterien ausgewählt, homogenisiert und zu einer gebrauchsfertigen Lösung verarbeitet werden.

Die Verabreichung ist auf verschiedene Weise möglich gewesen. Patientinnen konnten sich das individuell für sie hergestellte probiotische Arzneimittel im Rahmen einer Mikrobiologischen Therapie vom Arzt oder Therapeuten spritzen lassen und es zuhause auch selbst in die Bauchfalte spritzen. Die Eigenimpfung konnte auch als Spray in den Mund, in die Nase oder auf die Haut gegeben werden. Das gebrauchsfertige Präparat war geruchlos und enthielt die Darmbakterien in abgetöteter Form. Autovaccine können neben der Regulierung der Darmschleimhaut auch Abwehrschwächen verringern und Neigungen zu Überreaktionen entgegenwirken.

Autovaccine stehen aktuell vor dem Aus

Eine Verordnung ist wegen der Einstufung als Fertigarzneimittel unmöglich. Hergestellt und vertrieben wurden die zur Eigenimpfung individuell für den Patienten hergestellten Lösungen bis zum 30. November 2021 vom Arzneimittelhersteller SymbioVaccin in Herborn. Für Interessierte stehen dort nach wie vor zahlreiche Informationen zur Verfügung. Weitere Informationen über Autovaccine in den Medien finden sich auch auf der Website des Verbandes Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie e.V. (AMT).

Die Behandlung mit Eigenimpfungen, die im Rahmen der Mikrobiologischen Therapie bislang von speziell weitergeschulten Ärzte und Therapeuten vorgenommen wurde, steht vor dem Aus, weil nach Angaben des Arzneimittelherstellers seit 2006 Probleme mit der Zulassung bestehen. Grund dafür sei die Einstufung der Präparate als zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel, der man auch auf gerichtlichem Wege gegen die Zulassungsbehörde für Arzneimittel (BfArM) nicht erfolgreich entgegen treten konnte.

Der Arzneimittelherstellersucht neue Wege

Der Arzneimittelhersteller ist bemüht, die Therapie mit den Autovaccinen zu erhalten und neue Wege dafür zu finden. Eine Option sieht er in dem Weg über ein Rezeptur-Arzneimittel. Doch ob und wann es gelingt, die Individualherstellung wieder aufzunehmen, lässt sich für interessierte Patienten auf der Website des Herstellers nachverfolgen.

Der Behandlung mit Autovaccinen ging bis zu ihrem Ende regelmäßig eine fundierte schulmedizinische Untersuchung und Diagnosesicherung voraus. Eine Autovaccine-Therapie wurde bislang entweder mit klassischen Therapien kombiniert oder auch als einzige Therapie angewendet. Zur Anwendung kam sie neben chronischen Harnwegsinfekten sonst ebenfalls bei Parodontitis, Allergien, Neurodermitis, chronischen Atemwegsinfekten, Abszessen, Furunkeln und Akne.

Erste Studienergebnisse überzeugten

Bisherige Studien mit Autovaccinen zur Eigenimpfung verliefen sehr erfolgreich. Bislang hatte sich spezielle die Autovaccine-Therapie bei chronischen und wiederkehrenden Blasenentzündungen bereits in kleineren Anwendungsbeobachtungen als sehr erfolgreich gezeigt.

Nach einer alleinigen 3-monatigen Therapie mit Autovaccinen konnten so 20 von 21 Patienten nach 12 Monaten über eine Senkung von durchschnittlich 3 Harnwegsinfekten pro Jahr auf 0,1 Harnwegsinfekte pro Jahr berichten. 17 der Patienten nahmen vor Beginn der Autovaccine-Therapie über 3 Wochen Probiotika ein und erhielten eine bedarfsangepasste symptomatische Quaddeltherapie.

Während Autovaccine sich auf den anderen Gebieten bereits seit mehr als 120 Jahren therapeutisch bewährt haben, ist der Einsatz speziell bei Harnwegsinfektionen nach Angaben des Fachverbands AMT noch relativ jung und es besteht der Wunsch, Autovaccine im neuen Einsatzbereich zukünftig durch größer angelegte Studien noch genauer zu erforschen, auch in Bezug auf vergleichende Untersuchungen mit Heterovaccinen. Heterovaccine beinhalten patientenfremde Erreger.

Kosten und Kostenübernahme durch Krankenkassen und Zusatzversicherungen

Die Kosten einer Autovaccine-Therapie bei chronischen und wiederkehrenden Blasenentzündungen betrugen pro Durchgang etwa 200 Euro, wovon etwa 1/3 der Therapiekosten auf die Herstellung des Individualarzneimittels entfällt. Der andere Teil fiel für das ärztliche Beratungshonorar und für die Verabreichung der Injektionen an.

Gesetzliche Krankenversicherungen übernahmen die Kosten einer Autovaccine-Therapie bislang meist nicht und die Patienten mussten sie selbst tragen.

Ausnahmen galten regelmäßig für Patienten, die eine freiwillige Zusatzversicherung abgeschlossen hatten. Zusatzversicherungen erstatten nach Maßgabe die Naturheilverfahren, die im Hufelandverzeichnis aufgeführt sind. Darunter fällt auch die Mikrobiologische Therapie.

Außerdem sind für viele Zusatzversicherte ebenfalls die Arzneimittel erstattungsfähig, die je nach Vertragsgrundlage zum Großteil von den Zusatzversicherern übernommen werden. Speziell die Autovaccine schlossen bisher einige Zusatzversicherer ausdrücklich ein.

Die Leistungskataloge der Zusatzversicherer erstrecken sich bei den erstattungsfähigen Naturheilverfahren neben Behandlungen durch Ärzte auch auf Behandlungen durch Heilpraktiker nach dem Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker (GebüH).

Privatversicherte konnten die Kostenübernahme für eine Autovaccinetherapie beanspruchen, wenn ihr Versicherungstarif naturheilkundliche Behandlungen in diesem Rahmen einschloss.

Es empfahl sich, im Zweifelsfall die Kostenübernahme mit der eigenen Krankenkasse oder dem Zusatzversicherer vor Behandlungsbeginn zu klären.

Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 06/2019 | aktualisiert 20.12.2022
Bildquelle: ©Martin Lopez@pexels.com (CCO Creative Commons Lizenz)

Quellen und weiterführende Informationen:

  • P. Reuter. Springer Lexikon Medizin. Springer Verlag. 2004
  • H. Holtmann. Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene. Verlag Urban & Fischer. 3. Auflage. 2014
  • Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie e.V.
  • S. Tapken, R. Schmidt. Ausweg aus dem chronischen Harnwegsinfekt mit Autovaccinen (PDF abgerufen 15.06.2019)
  • Fachverband AMT
  • Symbiovaccin
  • Openjur. VG Köln, Urteil vom 22.05.2012 – 7 K 4876/10. (abgerufen am 29.05.2022)

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