Zahlreiche Chemikalien aus der Umwelt können hormonähnlich wirken und so den menschlichen Hormonhaushalt beeinflussen. Einfluss nehmen hormonähnliche Substanzen dabei unter anderem auf den männlichen und weiblichen Testosteronspiegel, der dadurch gesenkt werden kann. Diese sogenannten Umwelthormone verbergen sich in vielen Dingen, mit denen viele Menschen regelmäßig in Kontakt kommen. Sie verbergen sich etwa in Arzneimitteln, Verpackungsmaterialien, Kosmetika, Hausrat oder Lebensmitteln und gelangen unbemerkt in den Körper.
Bekannt sind solche Umwelthormone auch unter der Bezeichnung Endokrine Disruptoren (ED). Die Wirkung der Umwelthormone im Körper ist vielfältig und ihre Schädlichkeit ist im Tierversuch nachgewiesen worden. Sie können durch ihre Bindung an körpereigene Stoffe ähnlich wie körpereigene Substanzen eine Blockade im Stoffwechsel auslösen oder auch die Produktion, den Abbau oder Transport von Substanzen im Stoffwechsel stören.
Gesundheitsstörungen durch Umwelthormone
Die Umwelthormone wirken an einer Zunahme von Gesundheitsstörungen und hormonabhängigen Erkrankungen mit. Neben einem Absinken des Testosteronspiegels und einer Abnahme der Fruchtbarkeit, ziehen verschiedene Forscher die Umwelthormone auch als Ursache für das häufigere Auftreten einiger Gesundheitsprobleme in Betracht.
Damit in Zusammenhang gebracht werden neben Brustkrebs und Tumoren der Prostata und Hoden außerdem Diabetes mellitus, Autismus und Adipositas. Weitere Gesundheitsstörungen und Erkrankungen, die mit Umwelthormonen in Verbindung stehen können, sind das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS), Alzheimer und Demenz.
Aber auch mit früheren pubertären Entwicklungen sowie Fehlbildungen der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane oder mit abnehmender Fruchtbarkeit durch sinkende Spermienqualität sehen die Forscher einen Zusammenhang in Bezug auf Umwelthormone.
Studien zur Wirkung von Weichmachern auf die Testosteronproduktion im Fötus
Eine Vielzahl von Studien gibt seit Jahrzehnten Hinweise darauf, dass hormonähnliche Substanzen aus der Umwelt in den menschlichen Hormonhaushalt eingreifen. Auch eine 2010 veröffentlichte amerikanische Studie bestätigte, dass Weichmacher (Phthalate) als endokrine Disruptoren die Entwicklung der Geschlechtsorgane bei Nagetieren und bei Kindern beeinflussen, indem sie die Testosteronproduktion wohl schon im Fötus senken.
Folge der Umwelthormone ist, dass die Hoden nicht vollständig absinken oder die Geschlechtsorgane kleiner ausfallen. Außerdem ergab die Studie, dass die zwei Weichmacher Diethylhexyphthalat und Dibutylphthalat bei Jungen dafür sorgten, dass diese lieber mit Puppen als mit Spielzeug für Jungen spielten, wenn die beiden hormonähnlichen Substanzen während der Schwangerschaft in zu hohen Mengen im Mutterleib vorkamen.
Damit konnten die Forscher beweisen, dass hormonähnliche Stoffe auch auf das Gehirn wirken und neben der geschlechtsspezifischen Entwicklung das Verhalten von Kindern beim Spielen beeinflussen. Mädchen zeigten dagegen keine Reaktion auf die Weichmacher. Andere Weichmacher zeigten dagegen keinen Einfluss auf das Spielverhalten von Jungen.
Konkrete Verbote fehlen für Umwelthormone häufig
Das Gefährdungspotential der Umwelthormone ist bislang nicht konkret nachweisbar. Wissenschaftler vermuten aber, dass Umwelthormone nicht erst in der frühen Kindheit, sondern schon im Mutterleib auf das Ungeborene einwirken und der gestörte Hormonhaushalt später eine Krankheitsentstehung begünstigt.
Insbesondere bestehen Probleme, den Zusammenhang zur Wirkung der Umwelthormone tatsächlich nachzuweisen, weil in der Regel mehrere Jahre oder Jahrzehnte zwischen der Einwirkung und der Ausbildung der Erkrankung liegen.
Das erschwert ein Verbot der hormonähnlichen Substanzen, die bislang schon bekannt sind und verdächtigt werden.
Die in Verdacht stehenden Substanzen können zwar nicht wegen ihrer hormonähnlichen Aktivitäten reguliert werden, dennoch unterliegen viele von ihnen wegen toxischer Eigenschaften mittlerweile einer Regulierung durch das Chemikaliengesetz. Manche sind aufgrund dessen bereits verboten oder zulassungsbeschränkt.
Verschiedene Chemikalien gelten als Umwelthormone
Eine chemische Gruppe bilden östrogenartig wirkende Weichmacher. Dazu zählt zum Beispiel Bisphenol A, das in vielen Verpackungskunststoffen verarbeitet ist sowie in Kassenbons, Fahrkarten und Parktickets.
Eine weitere chemische Gruppe sind die Weichmacher (Phthalate). Darunter fallen zum Beispiel Diethylhexyphthalate und Dibutylphthalate in Körperpflegemitteln, Seifen, Tapeten, PVC, Fußbodenbelägen oder Duschvorhängen. Die Weichmacher sind aber auch in Plastikrohren, Lebensmittelverpackungen, Kabeln und Folien zu finden. Verarbeitet werden sie außerdem nicht nur in Schuhen und Lebensmitteln wie Fetten und Ölen, sondern auch in Sportartikeln und sonstigen Kunststoffen. Teilweise sind Weichmacher auch in Kinderspielzeug und Beißringen enthalten. Sie gelangen aber zum Beispiel ebenso über magensaftresistente Arzneimittel in den Körper, die sich erst im Darm auflösen.
Auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) zählen zu den Umwelthormonen. Bei ihnen handelt es sich etwa um Luftschadstoffe aus Abgasen bei der Verbrennung von Erdöl, Kohle und Holz. Enthalten sind sie beispielsweise in Mousepads, Spielzeugen und Badeschuhen. Sie entwickeln sich zudem in geräucherten Lebensmitteln, Tabakrauch und beim Grillen.
Organophosphate aus Pflanzenschutzmitteln zählen ebenfalls zu den Umwelthormonen. Weitere Substanzen sind Flammschutzmittel wie polybromierte Diphenylether (PDBDE) in Polstermöbeln, Autositzen, Elektronikartikeln wie Computern, Video und andere gehören zu den Substanzen, die als Umwelthormone aktiv werden können.
Politik reguliert Gesetzgebung bei Chemikalien
Suche nach geeigneten Testmethoden zum Nachweis der Umwelthormone
Viele der Umwelthormone können wegen fehlender Nachweismethoden nicht gesetzmäßig reguliert werden. Während Wissenschaftler noch nach geeigneten Nachweismethoden für die Hormonaktivität der verdächtigen Umwelthormone suchen, ist man seit einiger Zeit auf politischer Ebene damit beschäftigt, diese Umwelthormone wegen ihrer toxischen Eigenschaften zu verbieten oder in der Zulassung zu beschränken.
Der Gesundheitsschutz zum Thema Umwelthormone wird neben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch durch die Europäische Union unterstützt. Beide erstellen umfangreiche Berichte mit dem Ziel, die Forschung zur Identifizierung der hormonähnlichen Substanzen zu erleichtern und Wissenslücken aufzuzeigen und zu schließen.
Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 11/2018 | aktualisiert 25.11.2023
Bildquelle: © Bild von Willfried Wende auf Pixabay.com
Quellen und weiterführende Informationen:
S.H. Swan et al. Prenatal phthalate exposure and reduced masculine play in boys. International Journal of Andrology Volume 33, Issue 2. 14. March 2010
Bundesinstitut für Risikobewertung. Fragen und Antworten zu Phthalat-Weichmachern. Mai/2013
Umweltbundesamt. Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe. Umweltschädlich! Giftig! Unvermeidbar? Januar 2016
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