Einer von 200 Bürgern leidet unter Glutenunverträglichkeit
Die Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) bezeichnet die Unverträglichkeit gegen das Klebereiweiß (Gluten) im Getreide. Eine Glutenunverträglichkeit ist schwierig zu diagnostizieren und trifft nach Schätzungen in Deutschland etwa 1 von 200 Menschen. Auch Säuglinge und Kinder können schon von der Unverträglichkeit gegen das Klebereiweiß Gluten betroffen sein.
Die Glutenunverträglichkeit entsteht durch ein fehlendes Enzym
Die genetisch bedingte Glutenunverträglichkeit beruht auf einer Unverträglichkeit gegenüber dem Getreideeiweiß Gluten, das in vielen heimischen Getreidearten wie z.B. dem Weizen in hoher Menge natürlich enthalten ist. Grund für die Entstehung ist ein fehlendes Enzym im Verdauungstrakt, wodurch das Klebereiweiß Gluten nicht abgebaut werden kann. Klebereiweiß verbessert die Backeigenschaften und die Klebefähigkeit von Teigen maßgeblich, so dass es für die üblichen Teigwaren unverzichtbar ist.
Eine Glutenunverträglichkeit kann unterschiedliche Verlaufsformen haben. Sie führt bei Betroffenen nach dem Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel zur chronischen Entzündung der Darmschleimhaut. Die Entzündung der Darmschleimhaut kann von einer Vielzahl spezifischer und unspezifischer Symptome begleitet werden.
Dermatitis Herpetiformis Sonderform der Glutenunverträglichkeit
Die seltene Hautkrankheit Dermatitis Herpetiformis Duhring tritt nur zusammen mit Glutenunverträglichkeit auf. Oft entstehen dabei an Ellenbogen und Knien kleine, stark juckende Bläschen, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind. Der Krankheitsverlauf erfolgt schubweise mit unterschiedlicher Dauer und Intensität. Behandelt wird die Hautkrankheit neben einer strikt glutenfreien Ernährung mit Medikamenten.
Auch Lebensmittelunverträglichkeiten können vorübergehend auftreten
Abhängig vom Schweregrad der Dünndarmschädigung können vorübergehend neben der Glutenunverträglichkeit auch Lebensmittelunverträglichkeiten wie etwa Lactoseintoleranz auftreten. In Ausnahmefällen entwickelt sich die Lactoseunverträglichkeit auch unabhängig von der Zöliakie und kann bestehen bleiben.
Erhöhtes Risiko bei genetischer Vorbelastung und speziellen Erkrankungen
Glutenunverträglichkeit tritt wegen der erblichen Veranlagung familiär gehäuft auf. Eine Befragung der Familienmitglieder kann bei Ermittlung der Diagnose hilfreich sein.
Beim Vorliegen anderer Erkrankungen besteht außerdem ein erhöhtes Risiko, eine Zöliakie zu entwickeln.
Dazu zählen folgende Erkrankungen:
- Diabetes Mellitus Typ 1
- Hashimoto Schilddrüsenentzündung
- Autoimmunhepatitis
- Down-Syndrom (Trisonomie 21)
- Ullrich-Turner-Syndrom
- Williams-Beuren-Syndrom
Ursachen der Glutenunverträglichkeit
Ursache der Zöliakie ist ein Enzymmangel, der verhindert, dass die Speicherproteine des Glutens aufgespalten werden können.
Es handelt sich hierbei um die Aminosäuren Glutamin und Prolin. Darauf folgt eine Autoimmunreaktion vom Darm.
Dabei entzündet sich die Dünndarmschleimhaut und die Dünndarmzotten bilden sich zurück (Zottenathrophie) – auch ein vollständiger Schwund ist möglich. Der Dünndarm benötigt eine sehr große Oberfläche, die aus der faltigen Darmschleimhaut und ihren Ausstülpungen, den Dünndarmzotten besteht. Über den funktionsfähigen Dünndarm werden die Nährstoffe aus dem Darm ins Blut weitergeleitet.
Weil bei einer Zöliakie die veränderte Dünndarmschleimhaut weniger Nährstoffe aufnimmt (Malabsorption), kann neben einem Vitaminmangel und Mineralstoffmangel auch eine Unterdeckung des Energiebedarfs entstehen und zu entsprechenden Folgeerkrankungen führen. Entstehen kann vor allem ein Defizit der Nährstoffe Calcium, Eisen, Folsäure. Vitamin B12 sowie ein Defizit fettlöslicher Vitamine.
Die Symptome der Zöliakie sind oft nur schwer zu erkennen
Bei Glutenunverträglichkeit können viele unterschiedliche Symptome auftreten, die sich je nach Alter vom Schweregrad her noch einmal unterscheiden können. Die Krankheit verläuft in Phasen und kann von schwachen Formen bis hin zu einer Krise variieren. Weil sich die Symptome bei Glutenunverträglichkeit nur schleichend einstellen, wird die Erkrankung bei Säuglingen oft nicht sofort erkannt. Die Anzeichen der Zöliakie bei Erwachsenen sind oft noch weniger charakteristisch als bei Säuglingen.
Mögliche Symptome im Säuglingsalter
- Aufgeblähter Bauch und magerer Körper
- Blähungen
- Massiger, glänzender, übel riechender Stuhlgang
- Gewicht unterhalb der Altersnorm
- Wachstumsstörungen
- Trockene Haut
- Appetitlosigkeit
- Gelegentliches Erbrechen
Mögliche Symptome im Erwachsenenalter
- Zahnschmelzdefekte
- Knochen- und Gelenkschmerzen
- Osteoporose
- Lactoseintoleranz
- Neurologische Erkrankungen
- Nagelauffälligkeiten
- Verzögerte Pubertät
- Muskelhypotonie
- Unfruchtbarkeit u.a.
Diagnose durch Nachweis von Antikörpern oder Gewebeproben
Die Diagnose von Glutenunverträglichkeit erfolgt normalerweise durch den Nachweis typischer Antikörper im Blut. Wenn die Diagnose nicht eindeutig ist, folgt in der Regel eine Magen-Darm-Spiegelung mit Entnahme von Gewebeproben aus der Dünndarmschleimhaut, die eine Schädigung der Dünndarmzotten (Zottenatrophie) sichtbar machen können. Die Zottenatrophie wird nach Schweregraden (Marsh) eingeteilt.
Eine sichere Diagnose der Zöliakie ist nur während einer glutenhaltigen Ernährung möglich, da sich bei glutenfreier Ernährung die Schleimhautveränderungen zurückbilden und die Konzentration der Antikörper, die zum Nachweis notwendig sind abnimmt.
Therapie der Glutenunverträglichkeit
Im Zentrum einer Therapie steht eine lebenslange glutenfreie Ernährung. Denn Glutenunverträglichkeit bleibt ein Leben lang bestehen und auch kleinste Mengen Gluten können Beschwerden auslösen.
Daher ist die erfolgreiche Behandlung nur durch lebenslangen konsequenten Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel möglich. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt Betroffenen eine Ernährungsumstellung in der Begleitung von Ernährungsfachkräften.
Bei glutenfreier Ernährung bilden sich neue Darmzotten und nehmen ihre Funktion wieder auf. Zu Beginn der Ernährungsumstellung wird wegen einer oft gleichzeitig bestehenden Lactoseintoleranz empfohlen, auch auf Milchprodukte zu verzichten. Nach der Neubildung der Darmzotten werden in den meisten Fällen Milchprodukte wieder vertragen.
Vorsorge ist schon im Säuglingsalter möglich
Durch abgestimmte Ernährung eines Säuglings im ersten Lebensjahr lässt sich nicht nur das Risiko für eine Glutenunverträglichkeit senken, sondern auch der Entstehung von Diabetes Mellitus Typ 1 und Weizenallergie vorbeugen. Experten empfehlen deshalb, während der Stillzeit zwischen dem Beginn des 5. Lebensmonats und zu Beginn des 7. Lebensmonats Gluten in die Beikost einzuführen. Nach Maßgabe wird die Beikost beispielsweise gegen Vollkornnudeln oder geeignete glutenhaltige Getreide ausgetauscht.
Glutenunverträglichkeit: glutenhaltige & glutenfreie Lebensmittel
Glutenhaltige Lebensmittel |
Glutenfreie Lebensmittel |
---|---|
Getreidearten wie Weizen, Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste, Grünkern, Einkorn, Urkorn, Triticale, Kamut, Durum u.a. | Pseudogetreidesorten wie Amaranth, Buchweizen, Hirse (Teff), Kartoffeln, Mais, Wildreis, Reis, Quinoa (nicht für Kleinkinder geeignet) |
Getreideerzeugnisse wie Grieß, Graupen, Getreideflocken, Kleie, Mehl, Schrot, Bulgur, Couscous | Tapioka/Maniok, Bananenmehl, Johannisbrotkernmehl, Hanfmehl, Kastanienmehl, Kichererbsenmehl, Traubenkernmehl, Mungobohnenstärke, Guarkernemehl, Tragant, Eiprotein |
Teigwaren wie Brot, Gebäck, Kuchen, Nudeln, Müsli | Obst, Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, Erbsen |
Panierte oder in Teig frittierte Speisen | Milch und Milchprodukte wie Quark, Joghurt, Kefir, Sauermilch, natürlicher Frischkäse, Käse |
Biersorten wie Weißbier, Dunkelbier, Malzbier, Malzkaffe, Malzgetränke, Malzbonbons | Sojamilch, Tofu |
Fertiggerichte, Fertigsuppen, Fertigsoßen | Tierische Produkte wie Eier, Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte |
Cornflakes, Frühstücksflocken, Sojateigwaren | Nüsse und Samen wie Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne, Sesamsamen |
Kartoffelerzeugnisse wie Pommes Frites und Kroketten | Öl, Margarine, Butter |
Fischkonserven und Erzeugnisse wie Brathering, Surimi | Reine Gewürze wie Salz, Pfeffer, Paprika, |
Wurstwaren und Brotaufstriche | Reine Kräuter |
Käse- und Schmelzkäsezubereitungen | Zucker, Honig, Ahornsirup |
Tomatenketchup, Fertigwürzen | Marmelade, Konfitüre |
Fleischextrakte, Brühwürfel, Suppenwürze, Salatsoßen, Backartikel wie Backpulver | Wasser, nicht aromatisierter Tee, Kaffee, reine Fruchtsäfte, Fruchtsaftschorle |
Süßwaren wie Schokolade, Pralinen, Marzipan und Knabberartikel wie Chips, Flips | Als glutenfrei gekennzeichnetes Brot und Backwaren, Teigwaren |
Obsterzeugnisse wie Fruchtmus | Als glutenfrei gekennzeichnete Mehle |
Speiseeis, Pudding und süße Desserts wie Creme, Mousse | Als glutenfrei gekennzeichnete Fleisch- und Wurstwaren |
Medikamente in Drageeform, Nahrungsergänzungsmittel, Mund- und Zahnpflegeartikel | Als glutenfrei gekennzeichnete Käsesorten |
Die Kennzeichnung bei glutenfreien Lebensmitteln
Verschiedene glutenfreie Lebensmittel sind regelmäßig im Angebot von Supermärkten, Reformhäusern, Naturkostläden und Drogerien erhältlich. Als glutenfrei dürfen laut Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) nur Lebensmittel bezeichnet werden, die maximal 20 mg Gluten pro kg Lebensmittel enthalten. Lebensmittel, die zwischen 21-100 g Gluten pro kg enthalten, dürfen als glutenarm bezeichnet werden.
Gluten und glutenhaltiges Getreide wie Weizen, Dinkel, Kamut, Roggen, Hafer oder deren Hybridstämme und Erzeugnisse daraus sind kennzeichnungspflichtig und müssen im Zutatenverzeichnis aufgeführt werden. Kennzeichnungspflichtig sind sowohl verpackte als auch lose Produkte.
Nicht kennzeichnungspflichtig sind durch den Herstellungsprozess veränderte Produkte, die für Zöliakie-Betroffene unbedenklich sind.
Veränderte nicht kennzeichnungspflichtige Produkte
- Glucosesirup auf Weizenbasis einschließlich Dextrose
- Glucosesirup auf Gerstenbasis
- Maltodextrine auf Weizenbasis
- Getreide zur Herstellung von Destillaten oder Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs für Spirituosen und andere alkoholische Getränke
Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 10/2016 | aktualisiert 02.01.2023
Bildquelle: ©jean pierre duretz@pixabay.com (CCO Creative Commons Lizenz)
Quellen und weiterführende Informationen:
- Biesalski, H.K. et al. Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum der Bundesärztekammer und der DGE. 2010. Verlag Thieme
- DGE-Infothek. Essen und Trinken bei Zöliakie. 9. überarbeitete Auflage. 2012
- Österreichische Gesellschaft für Ernährung. Information Ernährung von A-Z 1793 Zoeliakie
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte beachten Sie hierzu die weiteren Hinweise zu Gesundheitsthemen
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