Die Mikrobiologische Therapie ist eine natürliche Therapie, die zu den erweiterten Naturheilverfahren zählt. Bei dieser Therapieform kommen abhängig von der Diagnose verschiedene Probiotika und Präbiotika zum Einsatz, um die Zusammensetzung der Darmflora (Mikrobiom) und das Immunsystem günstig zu beeinflussen. Auf diese Weise können sich bei verschiedenen bestehenden Störungen körpereigene Selbstheilungsprozesse in Gang setzen.
Zuerst wurde die Mikrobiologische Therapie unter der Bezeichnung Symbioselenkung bekannt, später unter dem Namen Darmsanierung.
Als Basistherapie kommt die Darmsanierung häufig auch in Kombination mit klassischen oder anderen naturheilkundlichen Verfahren zur Anwendung.
Grundlagen der Mikrobiologischen Therapie
Die Mikrobiologische Therapie basiert auf der Erkenntnis, dass der Darm mit einer Fläche von etwa 300 qm das größte menschliche Immunorgan bildet und über 80 Prozent der erworbenen Immunabwehr ihren Ursprung im Darm nimmt. Das Immunsystem der Darmschleimhaut prägt demnach den gesamten Körper.
Auf den Schleimhäuten des Körpers finden sich mehr als 1000 verschiedene Arten von Mikroben und Bakterien, die bei einem gesunden Menschen in einer Symbiose leben. Viele Erkrankungen gehen mit einer Störung dieser Symbiose (Darmdysbiose) einher, bei der die gesundheitsfördernden Keime nicht mehr in ausreichender Zahl im Darm angesiedelt sind und stattdessen gesundheitlich ungünstig wirkende Keime ihren Platz einnehmen.
Menschliche Darmflora wird oft durch Antibiotika beeinträchtigt
Bei der Mikrobiologischen Therapie gehen die Therapeuten davon aus, dass die menschliche Darmflora einen Schutzschild bildet, der mit mehr als 10 Billionen immunwirkenden Bakterien wie Escherichia coli und Enterokokken besetzt ist, die Einfluss auf das Immunsystem nehmen. Es wird angenommen, dass unter anderem durch die verstärkte Einnahme von Antibiotika die schützende Darmflora geschädigt wird und sich damit das Risiko für die Entstehung von chronischen Infekten erhöht. Wenn das Gleichgewicht zwischen nützlichen und schädlichen Keimen gestört wird, sprechen die Therapeuten der Mikrobiologischen Therapie von einer Dysbiose.
Sie gehen davon aus, dass schon im Kindesalter bei leichten Infekten eine gezielte Mikrobiologische Therapie mit Probiotika eine Schädigung der Darmflora verhindern kann und auf diese Weise auch Antibiotikaresistenzen reduziert werden können.
Eine Behandlung der Darmschleimhaut erfolgt durch Mikrobiologische Therapie
Mit mikrobiologischen Arzneimitteln wird eine Erkrankung ursächlich behandelt. Die Mikrobiologische Therapie verfolgt das Ziel, bei chronischen Erkrankungen das normale Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen. Die eingesetzten Probiotika sollen über die Darmschleimhaut wirken, um Signale an das Immunsystem zu übermitteln, das sich dadurch entsprechend aktivieren lässt.
Als ganzheitliches Wirksystem richtet sich eine Mikrobiologische Therapie auf die Aktivierung der körperlichen Selbstheilungskräfte aus und bringt die natürlichen Regulationsmechanismen in Gang.
Ursachen und Anzeichen der Schädigung der Darmflora
Verschiedene Ursachen können ein Ungleichgewicht der Darmflora zur Folge haben. Häufig liegt der Schädigung der Darmflora eine Fehlernährung oder Überernährung durch übermäßig fetthaltige und zuckerhaltige Lebensmittel zugrunde.
Aber auch Medikamente wie Antibiotika oder Kortison beeinträchtigen die Darmflora. Eine weitere Ursachen bilden Darminfektionen, chronische Darmerkrankungen wie Morbus Chron oder Colitis ulcerosa und weitere Erkrankungen der Verdauungsorgane.
Aber auch psychische Faktoren wie Stress und Umwelteinwirkungen durch zum Beispiel Schwermetalle können die Darmflora schädigen.
Symptome eines Ungleichgewichts der Darmflora
Typische Symptome einer geschädigten Darmflora sind neben Blähungen auch Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung.
Es kann auch zu einer Nahrungsmittelunverträglichkeit kommen. Weitere Symptome können in Form von Übelkeit, Erbrechen oder Völlegefühl auftreten.
Mikrobiologische Arzneimittel
Für die Behandlung der Dysbiose werden verschiedene mikrobiologische Präparate eingesetzt. Zum Einsatz kommen in der mikrobiologischen Therapie spezielle Probiotika und Präbiotika. Sie enthalten spezielle Mikroben oder Kombinationen daraus. Verwendung finden zum Beispiel:
- Milchsäurebakterien
- Laktobazillen
- Bifidobakterien
- Enterokokken
- Coli-Bakterien
- Heterovaccine
- Autovaccine
- Nosoden
- Heterovaccine
- Nichtsymbionten
Die Probiotika werden aus lebenden oder abgetöteten Mikroben hergestellt. Verwendet werden auch ihre Zellbestandteile und Stoffwechselprodukte.
Anwendung und Anwendungsgebiete
Die Anwendung von mikrobiologischen Arzneimitteln kann auf verschiedene Weise erfolgen. Probiotika lassen sich oral, also über den Mund oder parenteral zum Beispiel als Injektion anwenden. Auch eine Verabreichung über die Haut ist je nach Diagnose möglich.
Der Therapieplan wird individuell erstellt und orientiert sich am Ergebnis einer genauen Stuhlanalyse.
Anwendungsgebiete in der Mikrobiologischen Therapie
Typische Anwendungsgebiete sind Erkrankungen des atopischen Formenkreises, wozu Neurodermitis, allergischer Schnupfen und chronisch entzündliche Erkrankungen der Atemwege gezählt werden. Eine weitere Option sind allergische Erkrankungen wie Nahrungsmittelallergien.
Auch bei allergische Hauterkrankungen und akuten und chronischen Erkrankungen des Verdauungsapparates ist die Mikrobiologische Therapie angezeigt. Chronische Erkrankungen des Verdauungstrakts sind neben dem Reizdarmsyndrom, zum Beispiel auch chronische Verstopfungen und Durchfallerkrankungen.
Weitere Anwendung findet die Therapieform bei akuten und chronischen Infekten des Urogenitalbereichs, darunter bei Harnblasenentzündung, Prostatitis oder Scheidenentzündung.
Aber auch Pilzinfektionen der Haut, Haare und Nägel sowie Candida-Befall, Mundsoor und Scheidenpilze zählen zum Anwendungsbereich. Einen weiteren Bereich bilden entzündliche Hauterkrankungen wie Akne, Furunkel und Abszesse.
Als unterstützende Maßnahme kommt sie auch bei rheumatischen Erkrankungen sowie bei malignen (bösartigen) Erkrankungen wie Krebs zum Einsatz.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen der Mikrobiologischen Therapie
Es gibt einige Fälle, in denen die Mikrobiologische Therapie nicht angezeigt ist, bzw. bestimmte Verabreichungsformen nicht zur Anwendung kommen sollen.
In einigen Fällen darf eine Mikrobiologische Therapie allerdings nicht angewendet werden.
Gegenanzeigen für eine Darmsanierung
Weder bei Autoimmunerkrankungen, noch bei Auszehrung (Kachexie) in Verbindung mit fortgeschrittenem Tumorleiden ist die mikrobiologische Therapie angezeigt. Ein Ausschlusskriterium bildet auch gleichzeitige Anwendung von Immunsuppressiva.
Als Injektion sollten mikrobiologische Präparate nicht verabreicht werden bei Fieber unklarer Ursache sowie bei konsumierenden Erkrankungen wie Leukämie, Tuberkulose oder Aids. Auch bei einer bestehenden Schwangerschaft wird von der Therapie abgeraten.
Studien zur Mikrobiologischen Therapie
Zur Wirkung der Mikrobiologischen Therapie gibt es bislang schon einige Ergebnisse. Zum Einsatz von Probiotika und Präbiotika wurden die Ergebnisse verschiedener klinischer Studien veröffentlicht, in denen der Nutzen für die praktische Medizin belegt wurde.
Positive Wirkungen von Präbiotika und/oder Probiotika wurden unter anderem im Bereich des Reizdarmsyndroms festgestellt. Auch eine Verbesserung der durch Rotaviren verursachten Durchfälle sowie die Linderung der Symptome von Lactoseintoleranz sind in klinischen Studien belegt.
Weitere günstige Wirkungen der mikrobiologischen Therapie ergaben sich in Studien hinsichtlich der Verkürzung der Durchfälle nach Antibiotikatherapien.
Auch bei der Verminderung krebsfördernder und unerwünschter Produkte in der Darmflora konnte eine positive Wirkung von Probiotika und Präbiotika festgestellt werden. Diese förderten zudem die Fähigkeit zur Stressverarbeitung bei Gesunden.
Kostenübernahme der Darmsanierung durch die Krankenkasse
Die Kostenübernahme liegt im Ermessen der Krankenkasse. Die Behandlung wird in der Regel von einigen Ärzten und Heilpraktikern mit einer entsprechenden Zusatzausbildung durchgeführt. Krankenkassen sind allerdings nicht verpflichtet, die Kosten für eine Mikrobiologische Therapie zu übernehmen. Einige Krankenkassen bieten jedoch freiwillige Leistungen bei Naturheilverfahren an.
Ob eine Beteiligung oder Kostenübernahme für eine Darmsanierung möglich ist, richtet sich nach dem Angebot der Krankenkasse oder den vertraglich vereinbarten Bedingungen. Auskünfte erteilt der entsprechende Anbieter und die zuständige Krankenkasse.
Auch Krankenzusatzversicherer übernehmen nach Maßgabe die Kosten für eine Mikrobiologische Therapie.
Geschichte der Mikrobiologischen Therapie
Die Mikrobiologische Therapie entwickelte sich über viele Jahrzehnte. Früher ging man davon aus, dass alle Bakterien Krankheiten auslösen und es war lange nicht klar, dass Bakterien auch zur menschlichen Gesunderhaltung dienen. Die Entwicklung der Mikrobiologischen Therapie begann, als der Kinderarzt Theodor Escherich im Jahr 1885 erstmals das Bakterium coli commune beschrieb, das später in das Bakterium Escherichia coli umbenannt wurde.
Im gleichen Jahr erklärte der französische Mikrobiologe Louis Pasteur, dass ohne Darmbakterien menschliches Leben unmöglich sei.
Erst als Alfred Nissle im Jahr 1917 auf der Suche nach einer geeigneten Behandlungsform gegen Darminfekte war, gelang es, den ersten probiotischen Stamm von E. choli zu isolieren. 1931 folgte dann die wissenschaftliche Beschreibung des Bakteriums E. coli Stamm Laves 1931.
Im Jahr 1954 gründeten die Ärzte Kolb und Rusch das erste mikrobiologische Institut. Auch der Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie e.V. wurde von mehreren Ärzten mit dem Ziel gegründet, Erkrankungen mit physiologischen Bakterien zu behandeln und zu heilen. Dazu entwickelte man die ersten Handelspräparate mit Enterokokken und E. coli und weitere Handelspräparate (Autovaccine). Später kamen milchsäurebakterienhaltige Arzneimittel dazu. Heute verfügt die Mikrobiologische Therapie über eine Vielzahl verschiedener sogenannter Probiotika und Präbiotika.
Die schon früh gegründeten ärztlichen Fachgesellschaften, wie die Alfred-Nissle-Gesellschaft und der Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie e.V. bestehen noch heute.
Allerdings verdrängte der Einsatz von Antibiotika zunehmend die pflanzlichen und mikrobiologischen Arzneimittel. Probiotika und Präbiotika werden aber weiterhin von vielen naturheilkundlich orientierten Ärzten und Therapeuten eingesetzt.
Text: Katja Schulte Redaktion
Datum: 11/2016 | aktualisiert 16.01.2023
Bildquelle: © Bild von Arek Socha auf Pixabay.com
Quellen und weiterführende Informationen:
Kerstin Rusch, Volker Rusch. Mikrobiologische Therapie: Grundlagen und Praxis. Verlag Haug. 2001
Karin Kraft, Rainer Stange: Lehrbuch Naturheilverfahren. Hippokrates Verlag. 2010
Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) e.V.: Probiotika – Aktuelle Ergebnisse neuer Studien 04/2007: www.bdem.de/tagungen/tagung8/probiotika-kasper.pdf
Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e. V. (DGHM)
Österreichische Gesellschaft für Ernährung: Probiotika und Präbiotika
Wichtige Hinweise zu Gesundheitsthemen
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte beachten Sie hierzu die weiteren Hinweise zu Gesundheitsthemen