In Deutschland sind bis zu 2 Prozent der Gesamtbevölkerung von der Essstörung Orthorexie (Orthorexia nervosa) betroffen. Bei der Orthorexia nervosa nimmt die gesunde Ernährung therapiebedürftige Ausmaße an. Betroffene praktizieren dabei spezielle Diäten, die sie unter anderem mit dem Schutz vor Krankheiten verbinden. Diese Essstörung ist auch unter dem Begriff „krankhaftes Gesundessen“ bekannt.

Der Unterschied zwischen gesunder Ernährung und Orthorexie

Aber nicht jeder, der sich gesundheitsbewusst ernährt, ist gleichzeitig auch gefährdet, an Orthorexie zu erkranken. Experten gehen erst dann von einer krankhaften Ausprägung aus, wenn das Gesundessen zum Lebensmittelpunkt geworden ist.

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Magersucht

Magersucht (Anorexia nervosa)

Die Orthorexie ist eine qualitative Essstörung

Orthorexia nervosa (griech. orthos = richtig/orexis = Begierde, Appetit) stammt aus dem Griechischen und bedeutet krankhaftes Gesundessen.

Diese Art der Essstörung wird im Gegensatz zur quantitativen Essstörung Magersucht (Anorexia nervosa) als qualitative Essstörung beschrieben.

Wissenschaftlich ist das Krankheitsbild bislang nicht anerkannt

Das Krankheitsbild der Orthorexie ist in der wissenschaftlichen Medizin bislang nicht anerkannt. Diese Ausprägung einer Sucht wurde 1997 erstmals durch den amerikanischen Arzt Steven Bratman beschrieben.

Der Alternativmediziner beobachtete die Krankheit nicht nur an seinen Patienten, sondern auch an sich selbst. Er befand sich vor seiner medizinischen Tätigkeit als Koch in einer Öko-Kommune und glaubte damals, das Einhalten einer strengen Diät in Bezug auf die Lebensmittelqualität sei absolut gesundheitsförderlich und ohne Nebenwirkungen.

Symptome der Orthorexie

Bei manchen Betroffenen gehen bestimmte Formen von Essstörungen ineinander über oder Symptome sind verändert, so dass ein Krankheitsbild nicht selten individuell abweichend ist.

Mehrere Anhaltspunkte können auf eine Orthorexie hinweisen. Die Essstörung dauert bereits über einen längeren Zeitraum an. Eine Essstörung kann auch vorliegen, wenn sich bedeutende negative Auswirkungen auf die Lebensqualität des Betroffenen abzeichnen, zum Beispiel könnte er in eine soziale Isolation geraten.

Auch ständiges Kreisen der Gedanken um das Essen sowie Schuldgefühle, falls vom Ernährungsplan abgewichen wird, können auf eine Orthorexie hinweisen.

Manche Betroffene verspüren auch ein Gefühl der Überlegenheit oder sind voll Missionierungseifer, um andere von ihrer Ernährung zu überzeugen.

Für die Diagnose der Orthorexie ist der Leidensdruck entscheidend

Es ist derzeit unter Experten umstritten, ob zu einer Diagnose der Orthorexie auch das gleichzeitige Vorhandensein einer Persönlichkeitsstörung erforderlich ist.

Ob tatsächlich ein orthorektisches Verhalten in krankhaftem Ausmaß vorliegt, ist von der Höhe des Leidensdrucks abhängig, den der Betroffene verspürt.

Eine Krankheitseinsicht kommt oft erst bei spürbaren Symptomen

Erst wenn bei den Betroffenen spürbare Symptome von Mangel- oder Unterernährung auftreten, empfinden sie ihr Verhalten in der Regel als behandlungsbedürftig.

Zur Bestimmung eines zwanghaften Essverhaltens entwickelte der Alternativmediziner Bratman einen Test mit 10 Fragen, in dessen Zentrum eine Zwanghaftigkeit steht. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand von einer Orthorexie betroffen sein kann, steigt mit der Anzahl der Fragen, die er mit „ja“ beantwortet hat.

Orthorexie Test nach dem Begründer Bratman

  1. Denken Sie täglich mehr als 3 Stunden über Ihr Essen nach?

  2. Planen Sie Ihre Mahlzeiten mehrere Tage im Voraus?

  3. Ist Ihnen der ernährungsphysiologische Wert Ihrer Mahlzeit wichtiger als die Freude am Verzehr?

  4. Haben Sie das Gefühl, je gesünder Sie sich ernähren, desto schlechter sei Ihre Lebensqualität?

  5. Sind sie in letzter Zeit strenger mit sich geworden?

  6. Steigert sich Ihr Selbstwertgefühl durch gesunde Ernährung?

  7. Verzichten Sie auf Lebensmittel, die Sie früher gerne gegessen haben, um nun „richtige“ Lebensmittel zu essen?

  8. Haben Sie durch Ihre Essgewohnheiten Probleme auszugehen und distanzieren Sie dadurch von Freunden und Familie?

  9. Fühlen Sie sich schuldig, wenn Sie von Ihrer Diät abweichen?

  10. Fühlen Sie sich glücklich und unter Kontrolle, wenn Sie sich gesund ernähren?

Ursachen der Orthorexie

Psychologische Experten vermuten, dass die Ursache für das „krankhafte Gesundessen“ im Elternhaus beginnt und in dem früh erlernten Ernährungsverhalten begründet ist.

Als Hauptursache für die spätere Entwicklung einer Orthorexie gilt ein kontrollmäßiges Ernährungsverhalten der Eltern mit vermeintlich gesunden Lebensmitteln, das prägend ist und mit dem die Betroffenen aufwachsen.

Weitere mögliche Ursachen für eine Orthorexia nervosa

Weitere mögliche Ursachen entstehen durch Lebensmittelunverträglichkeiten, Allergien gegen Nahrungsbestandteile und auch Lebensmittelskandale.

Verlauf und mögliche Folgen der Orthorexie

Von dieser Essstörung sind hauptsächlich Rohkostverzehrer betroffen. Denn viele der von Orthorexie Betroffenen leben vegan und ernähren sich hauptsächlich nur noch von Rohkost, die im Bioladen oder bei Spezialversendern gekauft wird. Die einseitige Ernährung führt in der Folge zu verschiedenen psychischen und gesundheitlichen Beschwerden.

Der Essgenuss verringert sich immer mehr

Weil die Betroffenen oft täglich mehrere Stunden dafür benötigen, Lebensmittel auszuwählen und sie auf Kalorien, Vitamingehalte und Nährwerte zu überprüfen, geht der Essgenuss allmählich immer mehr verloren. Von Orthorexie Betroffene entwickeln große Angst vor „ungesunden Lebensmitteln“ wie zum Beispiel Kaffee, Alkohol, Süßigkeiten, Fastfood, Backwaren, Fertigprodukten, Milchprodukten und Getreide.

Häufig haben Betroffene ein geringes Körpergewicht

Die einseitige Ernährung führt in der Regel zu geringem Körpergewicht. Auch Untergewicht kann entstehen.

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Untergewicht, Mangelernährung und Unterernährung

Untergewicht, Mangelernährung und Unterernährung

Organisation in Sekten

Menschen, die an Orthorexia nervosa leiden, sind nicht mehr in der Lage, an Mahlzeiten von normal Essenden teilzunehmen und neigen dazu, sich in Sekten von Gleichgesinnten zu organisieren.

Eine Orthorexie kann tödlich enden

Schwere Gesundheitsschäden bis hin zum Tod können die Folge einer Orthorexie sein.

Therapie der Orthorexie

Die an Orthorexie Erkrankten werden in Therapiegruppen häufig zusammen mit Patienten behandelt, die an Magersucht (Anorexia nervosa) erkrankt sind.

Viele Betroffene erhalten zu Beginn eine mehrwöchige stationäre Therapie in spezialisierten Kliniken, an die sich oft ein längerer Aufenthalt in einer therapeutischen Wohngemeinschaft anschließt. Neben einer Änderung des Ernährungsverhaltens werden auch die psychischen Auslöser therapiert.

Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 12/2016 | aktualisiert 23.03.2024
Bildquelle: © Bild von Silvia auf Pixabay.com

Quellen und weiterführende Informationen:

Bundesfachverband Essstörungen Magersucht Anorexia nervosa abgerufen am 02.01.2023

N.S. Kovy, A.W. Abry: The clinical basis of orthorexia nervosa: emerging perspectives. Neuropsychiatr Dis Treat. 11:385-394 (2015)

Orthorexia nervosa: Besessen von gesunder Ernährung chirurgie-portal.de. 15. Juni 2007

In form. Orthorexie: Wenn gesund essen zum Zwang wird.

Wichtige Hinweise zu Gesundheitsthemen

Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte beachten Sie hierzu die weiteren Hinweise zu Gesundheitsthemen

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