Naturstoff Phosphatidylcholin bei entzündlichen Darmerkrankungen
Phosphahtidylcholin sorgt für einen wirksamen Schutz der Darmschleimhaut. An der Universitätsklinik Heidelberg gewann Professor Dr. Wolfgang Stremmel mit seinem Team bedeutende Erkenntnisse über den Aufbau der Barriere der Darmschleimhaut (Mukosa) in Verbindung mit dem natürlichen Bestandteil Phosphatidylcholin. Der gezielte Einsatz von Phospahtidylcholin lieferte bislang in zwei Studien an Patienten mit Colitis ulcerosa vielversprechende Ergebnisse. Colitis ulcerosa ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, unter der aktuell etwa 2 % der Bevölkerung leidet.
Das im Lecithin enthaltene Fett Phosphatidycholin (PC) ist eine natürlich vorkommende Substanz, die in pflanzlichen und tierischen Zellen als lebensnotwendiger Bestandteil der Zellmembranen zu finden ist. Das Phospholipid Phoshatidycholin setzt sich aus Phosphorsäure, Fettsäuren, Glycerin und Cholin zusammen.
Funktionen von Phosphatidylcholin im Körper
In verschiedenen Bereichen des Körpers ist das Phospholipid als Begleitstoff von Fetten und Ölen gleich an mehreren Stoffwechselprozessen beteiligt:
- Zellaufbau
- Bildung der schützenden Schleimhaut im Darm
- Reizübertragung im Gehirn
- Beteiligung am Gallensekret
- Förderung der Entgiftungskapazität der Leber
- Fettstoffwechsel
Phosphatidylcholin verhindert Entzündungen
Phosphatidylcholin bildet den Hauptbestandteil der fest anliegenden Schleimschicht des Dickdarms, der auch die Darmflora beherbergt. Die Funktion der Substanz besteht darin, den Schleim an die Darmschleimhaut (Mukosa) zu binden.
Diese Schleimschicht hat eine Schutzfunktion und erhält beim gesunden Menschen die Distanz zu den Zellen der Darmwand aufrecht. Somit bleiben Giftstoffe und Bakterien aus der wässrigen Darmlösung auf Abstand, denn beim direkten Kontakt mit den Darmzellen kommt es zu Entzündungen.
Die Heidelberger Forscher konnten zeigen, dass die aktive Fettschutzschicht des Darmes bei Patienten mit Colitis ulcerosa deutlich vermindert ist und ein Mangel an Phosphatidylcholin besteht. Die verminderte Fettschutzschicht bringt demnach Bakterien und Giftstoffe in direkten Kontakt mit Darmzellen, wo sie durch Gegenreaktion des Immunsystems Entzündungen auslösen können.
Häufig wird mit Mesalazin behandelt
In der Praxis werden derzeit die ausgelösten Entzündungen regelmäßig durch Immunsuppressiva, Kortisonpräparate oder Biologika unterdrückt. Am häufigsten erfolgt bislang die Behandlung mit 5-Aminosalicylsäure (Mesalazin).
Man geht aber davon aus, dass bei mehr als 40 % der Patienten, die die empfohlene Tagesdosis von Mesalazin einnehmen, weiterhin anhaltende Symptome der Darmerkrankung Colitis ulcerosa auftreten.
Aufnahme von Phosphatidylcholin erfolgt über verschiedene Lebensmittel
Das aus der Nahrung natürlich aufgenommene Lecithin enthält als Hauptbestandteil Phosphatidylcholin. Es befindet sich in unterschiedlich hohen Anteilen beispielsweise in Soja, Rinderleber, Schokolade, Eidotter, Fisch, Pflanzensamen und Gemüsesorten wie Brokkoli und Kohl. Auch Sonnenblumenkerne enthalten hohe Mengen der Substanz. Phosphatidylcholin aus der Nahrung wird fast vollständig verdaut. Als Lebensmittelzusatzstoff unter der Nummer E 322 ist es für Lebensmittel und auch Bio-Produkte zugelassen. Phosphatidycholin findet sich in den Zutatenlisten von Lebensmitteln unter der Bezeichnung Lecithin, E 322 oder Sojalecithin.
Gestörte Schleimhautbarriere bei Colitis ulcerosa
Nach bisherigen Erkenntnissen verliert der Schleim, der hauptsächlich im Dünndarm aus dem aufgenommenen Lecithin gebildet wird und sich danach zum im Dickdarm befindlichen Enddarm bewegt, auf diesem Weg an Konzentration. Er wird unterwegs durch Darmbakterien abgebaut.
In der Folge weist der Enddarm auch bei gesunden Menschen regelmäßig die geringsten Konzentrationen an Phosphatidylcholin auf und ist somit am anfälligsten für Entzündungen. Bei Menschen mit Colitis ulcerosa ist die Konzentration von Phosphatidylcholin bis zu 70 % niedriger als bei gesunden Menschen.
Die Forscher vermuten, dass eine niedrige Konzentration von Phosphatidylcholin die Ursache für die Entstehung der Colitis ulcerosa im Dickdarm bildet. Die chronisch entzündliche Darmerkrankung geht mit einer Rötung der Schleimhaut einher und kann mit oder ohne die Bildung von Geschwüren auftreten.
Vielversprechende Studienergebnisse mit Phosphatidylcholin
Eine Studie zum Schleimhautschutz befasste sich mit der Auskleidung des Darms durch Phosphatidylcholin. Die Heidelberger Forscher verfolgten in einer doppelblinden Studie an 60 Patienten im Dauerschub das Ziel, eine Behandlungsstrategie zu entwickeln, die das fehlende Phosphatidylcholin zuführen kann, um so eine Verstärkung der Schleimhaut im Dickdarm zu erreichen, die die Symptome der Colitis ulcerosa zu verbessern vermag.
Dazu entwickelten sie ein Granulat in Kapselform (retardiertes Phosphatidylcholin/Sterpur P-30), das die Patienten 4 mal täglich in Mengen von 1,5 g erhielten. Das Granulat wurde erst am Ende des Dünndarms freigesetzt und baute von dort aus die Fettschutzschicht des Dickdarms auf. Um die vorzeitige Verdauung im Magen und Dünndarm zu verhindern, sind die phosphatidylhaltigen Lecithin-Körner mit einem Polymer überzogen worden. Die Wissenschaftler verwendeten hierzu einen Zwitter aus Plexiglas (Polymethylmetacrylat) und Polyacrylsäure.
Im Ergebnis war festzustellen, dass das Granulat deutlich wirksamer war als ein Placebo (Scheinpräparat) der anderen Gruppe. Etwa 50 % der Patienten die das Granulat einnahmen, erreichten innerhalb von 3 Monaten eine geringere Krankheitsaktivität. Neben dem Rückgang der Stuhlfrequenz verbesserte sich die Konsistenz und auch die Blutbeimengungen verschwanden bei fast allen Patienten. Endoskopisch nachweisbar war daneben eine Besserung der Entzündungen im Dickdarm. Das allgemeine Befinden der Patienten besserte sich deutlich. Als einzige Nebenwirkung waren in Übereinstimmung mit der Placebogruppe Blähungen aufgetreten.
Studie: Phosphatidylcholin contra Kortisonpräparate
In einer weiteren Studie konnte das Heidelberger Forscherteam außerdem nachweisen, dass das retardierte Granulat fähig ist, 80 % der teilnehmenden Colitis ulcerosa-Patienten mit steroidabhängigem Verlauf ohne Verschlechterung vom Kortison zu befreien. Die Krankheitssymptome ließen bei etwa 50 % der Patienten nach. Nebenwirkungen außer Blähungen zeigten sich nicht.
Eine Zulassung als Medikament wurde angestrebt
Das natürliche Präparat, das auf den Forschungsergebnissen von Professor Stremmel basiert, befand sich unter dem Namen LT-02 in einem entsprechenden Zulassungsverfahren für Arzneimittel. LT-02 bezeichnet eine neue verzögernd freisetzende Formulierung von hochreinem Phosphatidylcholin, die wirksam bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden kann und die Barrierefunktion im Dickdarm verbessert.
Die klinische Phase II b Studie, die der Vermarkter Lipid Therapeutics GmbH aus Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Dr. Falk Pharma GmbH aus Freiburg durchgeführt hatte, konnte in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit erfolgreich abgeschlossen werden.
Die weitere klinische Entwicklung und Vermarktung von LT-02 in Europa übernahm als Lizenznehmer Dr. Falk Pharma GmbH. Im Juni 2014 hat die Zulassungsstudie der Phase-III-e zur Behandlung von Patienten, die unter aktiver Colitis ulcerosa leiden, europaweit begonnen.
Weitere Rechte an LT-02 wurden an Nestlé Health Science lizensiert. Nestlé Health Science entwickelt und kommerzialisiert das Präparat LT-02 weltweit außerhalb von Europa und Australien.
Die Zulassungstudie (PROTECT-1) wurde beendet
Die Zulassungsstudie Phase-III für das Lecithin-Präparat LT-02 wurde im Dezember 2016 beendet. Wann das entsprechende Präparat auf dem Markt erhältlich sein wird, ist derzeit noch nicht bekannt.
Bildquelle: © molekuul.be/Fotolia.com ID 52245712 (stock.adobe.com)
Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 03/2016 | aktualisiert 17.01.2023
Quellen und weiterführende Informationen:
- Klinikum Uni Heidelberg. Lecithin zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
- Nestle: Nestlé Health Science erwirbt Rechte für neuartige Colitis ulcerosa Therapie
- Food and Nutrition Board, Institute of Medicine. Dietary Reference Intakes: Thiamin, Riboflavin, Niacin, Vitamin B-6, Vitamin B-12, Pantothenic Acid, Biotin, and Choline. Washington, DC: National Academy Press, 1998: pages 390-422
- Phosphatidylcholin (LT-02) zur Induktion einer Remission bei Colitis ulcerosa (PROTECT-1). Clinical Trials.gov. NCT02142725
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte beachten Sie hierzu die weiteren Hinweise zu Gesundheitsthemen
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