Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), die hierzulande die Ernährungsempfehlungen herausgibt, empfiehlt den regelmäßigen Verzehr von Vollkorn und Vollkornprodukten. Insbesondere in Vollkornprodukten ist Phytinsäure (Phytat) in größerer Menge enthalten. In Bezug auf den gesundheitlichen Nutzen von Phytinsäure sind sich jedoch nicht alle Ernährungsexperten einig. Nach derzeitigem Forschungsstand gibt es sowohl Argumente für einen höheren Verzehr von Vollkornprodukten wie auch dagegen.
Phytinsäure befindet sich in den ballaststoffartigen Randschalen des Korns und kommt neben Vollkorn in mehr oder minder hohen Anteilen auch in Hülsenfrüchten, Ölsaaten, Mais, Soja und Nüssen vor.
Die Substanz zählt zu den sekundären Pflanzenstoffen, die allgemein als gesundheitsfördernd gelten. Den Pflanzen dient diese spezielle Säure als wertvolles Antioxidans, das sie vor den zellschädigenden freien Radikalen schützt. Außerdem bildet die Säure einen unverzichtbaren Speicher für Phosphat und eine Vielzahl anderer Mineralstoffe, die der Keimling zum Wachsen benötigt.
Phytinsäure bindet wertvolle Mineralstoffe im Körper
Doch speziell wegen ihrer Speicherfunktion steht die Phytinsäure oft in der Kritik, denn dadurch übt sie beim Menschen nicht nur positive Wirkung auf die Gesundheit aus. Durch ihre Funktion, im Körper während des Verdauungsvorgangs lebenswichtige Mineralstoffe in einem unlöslichen Chelatkomplex zu binden, stehen diese speziellen Nährstoffe für den Stoffwechsel nicht mehr zur Verfügung und werden letztlich ungenutzt wieder ausgeschieden. Betroffen sind davon besonders einige lebensnotwendige Mineralstoffe und Spurenelemente wie Mangan, Magnesium, Kalzium, Eisen und Zink.
Anzeichen durch einen Mangel der lebenswichtigen Nährstoffe
Werden im Körper zu viele der Nährstoffe durch Phytinsäure gebunden, könnte dies gegebenenfalls Nährstoffmängel auslösen. Die Anzeichen und Folgen hängen dabei von dem Mangel des jeweiligen Nährstoffs ab.
Während das lebensnotwendige Spurenelement Mangan mehr als 60 Enzyme aktiviert und ein Manganmangel zumindest bei Tieren mit Gerinnungsstörungen, Skelettveränderungen und Störungen der Spermienbildung einhergeht, zeigen sich bei einem Mangel des Mineralstoffs Magnesium häufig Störungen im Elektrolythaushalt, Muskelkrämpfe, Schlafstörungen und psychische Beeinträchtigungen. Daneben kann es zu Herzproblemen kommen sowie zu Problemen im Knochenstoffwechsel, da bei einem Magnesiummangel auch der Kalziumhaushalt beeinträchtigt ist. Auch ein Kalziummangel kann mit Krämpfen und Spasmen verbunden sein.
Kommt es zu einem Eisenmangel, besteht das Risiko einer Blutarmut, wodurch wichtige Organe unzureichend mit Sauerstoff versorgt sind. Auch Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwächen können ein Anzeichen von Eisenmangel sein.
Fehlt dem Körper dagegen Zink, kommt es bei Betroffenen möglicherweise zu entzündlichen Hautveränderungen, erhöhter Infektanfälligkeit oder Haarausfall.
Verfechter der Paleo-Diät sprechen sich gegen Lebensmittel mit Phytinsäure aus
Aus diesem Grund steht die Phytinsäure neben Gluten und den Lektinen besonders bei Verfechtern der Paleo-Ernährung in der Kritik. Die Paleo-Ernährung lehnt sich an die Ernährung der Steinzeit an, die vermutlich hauptsächlich aus tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten bestand, wobei der Verzehr von Milch und Milchprodukten bei dieser Ernährungsform ausgeklammert ist. Daneben stehen vorwiegend Obst, Gemüse und Nüsse auf dem Speiseplan. Auch auf stark phytinhaltige Produkte wie Hülsenfrüchte oder Getreide sowie auf verarbeitete Lebensmittel, darunter auch Zucker, wird vollkommen verzichtet.
Nur überhöhter Verzehr führt zu Mineralstoffmangel
Führende Ernährungsexperten warnen jedoch davor, den augenscheinlich negativen Effekt von Phytinsäure über zu bewerten. Nur weil durch Vollkorn und Vollkornprodukte gleichzeitig wesentlich höhere Anteile an Mineralstoffen in den Körper gelangen, wirken sich nach Ansicht vieler Experten die ungünstigen Bindungseigenschaften von Phytinsäure bei der in Deutschland empfohlenen Vollwerternährung nicht unbedingt nachteilig im Körper aus.
Veganer und Vegetarier haben ein höheres Risiko für Nährstoffmängel durch Phytinsäure
Anders sieht es nach Experteneinschätzung allerdings bei Veganern und Vegetariern aus, die regelmäßig sehr hohe Mengen von phytinsäurehaltigem Vollkorn, Vollkornprodukten, Nüssen, Soja, Mais und Hülsenfrüchten verzehren. Diese Gruppe hat erfahrungsgemäß ein wesentlich höheres Risiko und es kann deshalb bei Veganern und Vegetariern durch zu hohe Mengen konsumierter Phytinsäure auch häufiger zu entsprechenden Mineralstoffmängeln kommen.
Phytinsäure blockiert auch wichtige Verdauungsenzyme
Neben der Bindung von Mineralstoffen blockiert Phytinsäure außerdem die Verdauungsenzyme Trypsin und Pepsin, die zur Verdauung von Nahrungsproteinen notwendig sind.
Diskussionsstoff liefert der Einsatz bei Säuglingen und Kleinkindern
Phytinsäure steht auch in der Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern in der Diskussion. Speziell für diese Altersgruppe beziehen das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) gesundheitliche Risiken durch die Reduzierung der Mineralstoffe in die Diskussion mit ein, wenn es um die Eignungsbewertung der Pseudogetreide Amaranth und Quinoa geht, die hohe Mengen an Phytaten enthalten.
Gesundheitsfördernde Wirkungen von Phytinsäure
Phytinsäure hat sich in mehrfacher Hinsicht als gesundheitsfördernd erwiesen. Sie wirkt nicht nur antioxidativ, sondern bildet auch schwer lösliche Komplexe mit Proteinen und Kohlenhydraten. Sie verringert den glykämischen Index, weil sie das stärkespaltende Enzym Amylase blockiert. So verzögert sie die Stärkeverdauung und wirkt regulierend auf den Blutzuckerspiegel.
In Tierstudien zeigte die Säure eine schützende Wirkung auf die Entstehung von Diabetes mellitus Typ2 und Herzerkrankungen. Forscher gehen derzeit der Frage nach, ob sich Phytinsäure bei Diabetikern zur Behandlung von erhöhten Cholesterinspiegeln anwenden lässt.
Bisherige Forschungen wiesen auf eine mögliche Bedeutung der Phytinsäure zum Schutz vor bestimmten Krebsarten hin. Für Forscher ergaben sich beispielsweise Hinweise darauf, dass Darmkrebs auf einen Mangel an Phytinsäure zurückzuführen ist, der durch faserarme Kost entsteht.
Der Phytinsäuregehalt in Lebensmitteln kann gezielt verringert werden
Allerdings gibt es eine Reihe einfacher Behandlungsmöglichkeiten, durch die sich ein Großteil der Phytinsäure in den phytinhaltigen Lebensmitteln gezielt abbauen lässt.
Neben Einweichen, Auskeimen und speziellen darmfördernden Bakterienkulturen (Probiotika) hilft eine längere Teigführung beim Phytinabbau. Ein natürlicher Abbau der Phytinsäure in Lebensmitteln kann durch verschiedene Behandlungen der Lebensmittel und eben auch mit Hilfe von Probiotika aktiviert werden.
Während das Phytat im Roggenvollkornbrot durch die längere Sauerteigführung vollständig abgebaut wird und Roggen einen hohen Anteil des spaltenden Enzyms Phytase enthält, lässt sich in Weizenvollkornbroten nur rund die Hälfte der enthaltenen Phytinsäure abbauen.
Längeres Einweichen oder Auskeimen von Ölsaaten, Vollkorn oder Hülsenfrüchten führt zur Senkung des Phytinsäuregehalts im Lebensmittel. Auch eine längere Teigführung, besonders bei Sauerteig, sorgt für einen Abbau der Phytinsäuren von bis zu 80 Prozent. Die Phytinsäure wird dabei überwiegend durch die zugesetzten Laktobazillen und Hefen im Teig abgebaut. Der Abbau erfolgt durch das Enzym Phytase.
Ebenfalls können probiotische Nahrungsergänzungsmittel mit Lactobazillen der Phytinsäure entgegenwirken wirken und so Mineralstoffdefizite reduzieren.
Phytinsäuregehalte in Lebensmitteln
Nicht alle Lebensmittel besitzen hohe Phytinsäuregehalte. Zudem sind die Gehalte natürlichen Schwankungen unterworfen, die nicht nur vom Standort, sondern auch von der Sorte abhängen. Während Obst und Gemüse, Kartoffeln und Reis allgemein geringe Phytinwerte aufweisen, sind sie in getreidehaltigen Produkten, einigen Hülsenfrüchten und manchen Nussorten deutlich höher.
Getreide
Je nach Herkunft und Sorte schwanken die Phytinsäuregehalte mitunter stark in Lebensmitteln. Besonders hohe Anteile an Phytinsäure werden mit 2,15 bis 2,78 Prozent in Leinsamen gemessen. Stark kann auch der Gehalt im Weizen schwanken. Während Hartweizen 0,84 Prozent aufweist, kommen im üblichen Weizen Anteile von 0,39 bis 1,35 Prozent vor. Mais besitzt einen Phytatanteil von 0,75 bis 2,22 Prozent. In Hafer finden sich Gehalte von 0,4 bis 1,16 Prozent.
Reis
Hohe Konzentrationen von 2,20 Prozent lassen sich in Wildreis nachweisen, in poliertem Reis (medium grain) beträgt der Phytinsäureanteil hingegen nur 0,14 bis 0,19 Prozent. In Basmati-Reis ist der Gehalt mit nur 0,06 Prozent am geringsten.
Hülsenfrüchte
Sojabohnen besitzen Phytinsäuregehalte von 1 bis 2,22 Prozent, ähnlich hoch sind die Anteile in roten Kidney-Bohnen mit 1,20 bis 2,06 Prozent. Linsen enthalten dagegen lediglich 0,27 bis 1,05 Prozent. In Erdnüssen kommen Gehalte von 1,05 bis 1,76 Prozent vor. Ausnahme bildet die Bambara-Erdnuss mit 0,29 Prozent sowie die spanische Erdnuss mit einem Phytinsäureanteil von 1,88 Prozent. Lupinen verfügen über Phytinsäuregehalte von 0,20 bis 1,20 Prozent. In Erbsen lassen sich zwischen 0,91 bis 1,38 Prozent messen.
Kartoffeln
Mit nur 0,01 bis 0,08 Prozent weisen Kartoffeln vergleichbar geringe Gehalte an Phytinsäure auf. Bei den Süßkartoffeln sind es 0,07 bis 0,32 Prozent.
Früchte
Der Anteil an Phytinsäure in Erdbeeren liegt bei 0,13 Prozent, bei Mangos sind es 0,14 und bei Avocados werden 0,51 Prozent gemessen.
Gemüse
Die meisten Gemüsesorten enthalten nur geringe Mengen Phytinsäure. Spinat enthält zwischen 0,01 bis 0,07 Prozent, in Rotkohl sind 0,03 Prozent enthalten. Während sich in Karotten 0,09 Prozent nachweisen lassen, besitzen Tomaten einen Phytinsäureanteil zwischen 0,04 bis 0,31 Prozent. Meerrettich enthält 0,11 Prozent.
Nüsse
Vergleichsweise hohe Gehalte an Phytinsäure tragen Mandeln und viele Nusssorten in sich. In Mandeln beträgt der Gehalt zwischen 1,35 bis 3,33 Prozent. Während Haselnüsse mit einem Prozentanteil von 1,91 Prozent vertreten sind, kann der Anteil bei der Walnuss von 0,65 bis 2,38 Prozent schwanken. Die höchsten Gehalte lassen sich in Paranüssen nachweisen. Hier beträgt der Phytinsäuregehalt zwischen 1,97 und 6,34 Prozent.
Ölsaaten und andere Lebensmittel
Weiße Sesamsamen enthalten 1,44 Prozent Phytinsäure, während Pulver aus geschältem Sesamsamen sogar einen Anteil von 5,36 Prozent aufweist. In Koriandersamen wird ein Anteil von 1,26 bis 1,31 Prozent gemessen. In Kokosnussmehl befinden sich 1,17 Prozent.
Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 01/2020 | aktualisiert 02.10.2024
Bildquelle: © Bild von Pavlo Pixabay.com
Quellen und weiterführende Informationen:
N. Rukma Reddy, Shridar K. Sathe. Food Phytates. CRC Press. 2001
H.K. Biesalki et al. Ernährungsmedizin. Verlag Thieme. 4. Auflage. 2010
Ference Bognar. Paleo Ernährung. Verlag Edition XXL. 2015
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