Fast jeder kennt sie und fast jeder hat sie schon benutzt – Klebstoffe, Lösungsmittel, Holzleim oder Reinigungsmittel wie Aceton, Ether, Chloroform und Co. enthalten sogenannte Schnüffelstoffe. Das bewusste und tiefe Einatmen der zumeist scharfriechenden Schnüffelstoffe ist jedoch keineswegs harmlos, denn es kann zu zahlreichen schädlichen Einwirkungen auf den Körper kommen, die Experten auch als Intoxikationen bezeichnen.
Werden flüchtige Stoffe wie Dämpfe, Aerosole oder Gase bewusst eingeatmet, spricht man vom „Schnüffeln“. Die flüchtigen Substanzen (Inhalantien) sind in vielen leicht zugänglichen Mitteln in nahezu jedem Haushalt vorhanden und auch leicht im Handel zu beziehen. So können insbesondere auch manche Kinder und Jugendliche ohne Hindernis darauf zurückgreifen, denn es handelt sich bei den Schnüffelstoffen für sie um eine günstige Möglichkeit des Drogenkonsums. Nicht selten wird das Schnüffeln auch als Gruppenritual praktiziert.
Experten raten Eltern jedoch nicht dazu, Kinder und Jugendliche vorbeugend über die Risiken der Schnüffelstoffe aufzuklären, weil sie gerade dadurch die Neugier und das Interesse wecken könnten.
Wirkung von Schnüffelstoffen
Neben einem Rauschzustand, Bewusstseinsstörungen, Euphorie und Verwirrtheit kann es auch zur Apathie, Tremor oder zur Aggressivität kommen. Aber auch Intoxikationen in Form von Enthemmung, Ataxie und verwaschener Sprache können auftreten.
Die meisten dieser Substanzen zeigen zunächst eine narkoseähnliche Wirkung, deren Intensität von der eingeatmeten Menge abhängig ist. Nach anfänglicher Benommenheit folgen die Emotionen und körperlichen Reaktionen.
Schnüffelstoffe bergen hohe Risiken
Im Unterschied zum Konsum anderer berauschender Substanzen entsteht durch das „Schnüffeln“ keine körperliche Abhängigkeit, so wie sie etwa bei Alkohol oder speziellen Drogen oder Medikamenten zu beobachten ist. Auch wenn kein Entzugssyndrom auftritt, kann es allerdings zur psychischen Abhängigkeit und damit zum Missbrauch der Schnüffelstoffe kommen.
Immer häufiger beobachten Experten, dass sich beim Schnüffeln eine sogenannte polytoxikomane Abhängigkeit entwickelt, was bedeutet, dass Betroffene neben den Inhalantien auch weitere Drogen wie Nikotin, Alkohol, Opiate und Cannabis konsumieren. Vor dem Mischkonsum wird gewarnt.
Insbesondere Personen mit gesundheitlichen Beschwerden wie Epilepsie, Atemwegserkrankungen und Erkrankungen des Herz- Kreislaufsystems sowie Schwangere werden vor dem Konsum gewarnt.
Es gibt verschiedene Inhalationstechniken, von denen manche besonders riskant sind und das Risiko für Todesfälle erheblich erhöhen. Dazu zählen Techniken, bei denen Plastiktüten über den Kopf gezogen werden.
Aber auch zahlreiche indirekte Risiken sind mit der Inhalation von Schnüffelstoffen verbunden.
Indirekte Risiken
Zu den indirekten Risiken zählen Unfälle und Stürze durch Fehlhandlungen, die während des Rauschzustands entstehen. Auch das Ersticken an Erbrochenem sowie Explosionen von Behältern mit flüchtigen Substanzen sind Risiken, die mit dem Konsum von Inhalantien in Verbindung stehen.
Mögliche Folgen
Bei langfristigem Konsum der Schnüffelstoffe beobachten Experten nicht nur hohe psychische, soziale und körperliche Risiken, sondern auch Folgeschäden.
Insbesondere bei Jugendlichen sehen Forscher, dass das Schnüffeln mit Selbstmordgedanken und psychischen Problemen, darunter auch mit Depressivität in Zusammenhang steht. Nach Untersuchungsergebnissen aus den USA zum Risikoverhalten von Jugendlichen brachten die Forscher Familienprobleme, Schulprobleme sowie Gewalt und Straffälligkeit in Verbindung mit den Schnüffelstoffen.
Folgen des chronischen Missbrauchs
Wird der Missbrauch chronisch, treten zum Teil nicht wieder umkehrbare Schäden im Großhirnbereich auf. Neben Hautreizungen kann es zu Verletzungen der Nasenschleimhaut sowie zu Lungenschäden, Herzrhythmusstörungen und Herz- Kreislaufversagen kommen.
Weitere Folgen können Nierenversagen, Karzinome und Veränderungen im Nervensystem sein. Der Missbrauch kann außerdem zur Fettleber und toxischen Leberentzündung (Hepatitis) führen.
Häufiger treten Erstickungsanfälle und Lähmungsanfälle auf, vereinzelt auch mit tödlichem Ausgang. Zu den plötzlichen Todesfällen in Verbindung mit der Inhalation von Schnüffelstoffen (Sudden Sniffing Death Syndrom) kommt es oft durch Herzrhythmusstörungen und den Ausfall des Atemzentrums im Gehirns oder in Folge von Sauerstoffmangel.
Konsum von Schnüffelstoffen
Oft erfolgt das Inhalieren direkt aus Flaschen, Tuben, Kanistern oder Feuerzeugen. Aber auch mit Schnüffelstoffen getränkte Lappen werden genutzt. Eine weitere Praktik ist die Verwendung von Plastiktüten oder Behältern, die innen mit den flüchtigen Substanzen versehen werden und dann eng um den Kopf geschlossen werden.
Bekannt ist, dass sich bei häufigem Konsum eine Toleranz entwickelt, so dass höhere Konzentrationen erforderlich werden, damit die gleiche Wirkung erzielt werden kann.
Häufig verwendete Inhalantien
Die gesundheitsschädlichen Schnüffelstoffe sind als chemische Bestandteile oder Arzneimittelbestandteile in zahlreichen frei verkäuflichen Haushaltsprodukten und Industrieprodukten enthalten und teilweise auch verschreibungspflichtig.
Enthalten sind die Inhalantien oft in Haarspray, Klebstoffen, Filzstiften und Nagellackentferner.
Weitere Quellen bilden viele Farbverdünner, Klebstoffverdünner und Holzleime. Aber auch Parfüm sowie Enteisungsmittel und Feuerzeuggas zählen dazu.
Neben Benzin, Lacken jeder Art und Fleckentfernern und Fettlösern zählen auch Wachslöser, Schuhsprays und Lachgas zu den Quellen mit gesundheitsschädlichen Schnüffelstoffen, die frei verkäuflich sind. Nicht verschreibungspflichtig sind auch Äther und Chloroform.
Inhalantien in verschreibungspflichtigen Substanzen
Dagegen sind Amylnitrit und Butylnitrit nur auf Rezept erhältlich. Diese beiden zählen zur Gruppe der sogenannten Poppers und besitzen gefäßerweiternde Eigenschaften.
Ergebnisse des ESPAD-Berichts zum Konsum von Inhalantien
Der Bericht des European School Survey Projects zu Alkohol und Drogen, kurz ESPAD-Bericht, liefert seit 2015 Daten zum Alkohol- und Drogenkonsum von Schülern aus 35 Ländern. Ein 2019 veröffentlichter ESPAD-Bericht stellt die zuletzt erhobenen Daten bereit, die zur Nutzung von Zigaretten, Alkohol, neuen psychoaktiven Substanzen, illegalen Drogen und Glückspiel, anderen Bereichen mit Suchtpotential sowie auch zum Konsum von Inhalationsmitteln ermittelt wurden.
In Verbindung mit dem lebenslangen Konsum von Schnüffelstoffen lag der ESPAD-Durchschnitt bei 7,2 Prozent, wobei sich zwischen den einzelnen Ländern große Unterschiede zeigten.
Nach Lettland, das mit 16 Prozent den höchsten Anteil der Studierenden besaß, die Inhalationsmittel ausprobiert hatten, schlossen sich Deutschland und Kroatien mit einem Anteil von 15 Prozent an.
Die geringste Anzahl von Schülern ergab sich mit 0,5 Prozent im Kosovo, gefolgt von Nordmazedonien mit 1,9 Prozent, Italien mit 2,0 Prozent, Bulgarien mit 2,3 Prozent und Spanien mit 2,5 Prozent.
In den meisten Ländern waren die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht sehr groß.
Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 30.07.2023
Bildquelle:
Titelbild: © Katja Schulte 2023 | Bildquellen zu Vorschaubildern unter „Lesetipp“ im zugehörigen Bericht
Quellen und weiterführende Informationen:
Arolt, Dilling, Reimer. Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. 5. Auflage. Verlag Springer. 2004. Berlin, Heidelberg, New York
pro mente OÖ. Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit. Schnüffelstoffe. 2012
Wichtige Hinweise zu Gesundheitsthemen
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte beachten Sie hierzu die weiteren Hinweise zu Gesundheitsthemen