Jahrelang galt nano-technisch aufbereitetes Siliziumdioxid (E551) in der Lebensmittelindustrie und unter Verbrauchern als unbedenklich, doch nun rückte der häufig verwendete Lebensmittelzusatzstoff erstmals nach seiner Zulassung in den Focus der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Grund dafür waren bedenkliche Ablagerungen der Substanz, die Forscher mittlerweile in mehreren Studien im menschlichen Körpergewebe nachgewiesen haben.

Die damit von den Wissenschaftlern in Verbindung gebrachten gesundheitsschädlichen Wirkungen erforderten eine Neubewertung von Siliziumdioxid, jedoch brachte diese nicht die erwarteten Ergebnisse.

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Nanotechnisch aufbereitetes E551 ist nicht verdaulich

Ein Risiko sehen Experten insbesondere darin, dass kein Abbau der Substanz im Verdauungstrakt erfolgen kann. Nach den Auswertungen einiger europäischer Universitäten, Behörden und Institute besitzt das nanotechnisch aufbereitete Siliziumdioxid E551 wegen seines mangelhaften Abbauvermögens ein erkennbares Gefährdungspotential. Wie hoch das Gefährdungspotential ist, konnten die Experten derzeit noch nicht abschließend bewerten.

E551, das auch unter der Bezeichnung synthetisches amorphes Siliziumdioxid bekannt ist, zählt zu den anorganischen Nano-Erzeugnissen, die im Gegensatz zu den organischen Erzeugnissen vom Körper nicht im Verdauungstrakt abgebaut werden können.

Siliziumdioxid lagert sich in Organen ab und kann zu Störungen führen

Nach wissenschaftlicher Auffassung sind nur solche Stoffe ungefährlich, die im Verdauungstrakt vollständig gelöst werden können. Verschiedene Studienergebnisse ließen jedoch darauf schließen, dass sich das nanotechnisch aufbereitete E551 nach der Verabreichung nicht vollständig löst und sich deshalb in verschiedenen Organen ablagert. Die Rückstände führen unter anderem zu Störungen im Zellstoffwechsel, zu Entzündungen und vorzeitiger Zellalterung.

Ein ADI-Wert (acceptable daily intake) besteht für die synthetische Form von Siliziumdioxid (E551) aktuell nicht, da sie nach bisherigen Bewertungen nicht mit gesundheitlichen Risiken in Verbindung steht. Der ADI-Wert zeigt die durchschnittliche Menge eines Stoffes an, die ein Mensch sein ganzes Leben lang täglich aufnehmen kann ohne dass es zu einem gesundheitlichen Risiko kommt.

EFSA-Gremium nahm Neubewertung von Siliziumdioxid (E551) vor

Auf der Basis der neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse hatte das EFSA-Gremium für Lebensmittelzusatzstoffe und Nährstoffquellen im Jahr 2018 eine Neubewertung von organischem und synthetischem amorphen Siliziumdioxid (E551) vorgenommen, die den Forschern und Verbrauchern trotz eindeutiger Hinweise auf körperliche Risiken nicht gefallen dürfte. Diese Entscheidung zeigt jedoch klar das Dilemma auf, in dem sich die Nanotec-Branche aktuell befindet und aus dem es auch keinen schnellen Ausweg zu geben scheint.

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Während sich für organische Siliziumdioxidformen wie Kieselsäure nach wie vor keine Hinweise auf Nebenwirkungen ergaben, fehlte dem EFSA-Gremium trotz der vorliegenden Hinweise auf gesundheitlich bedenkliche Wirkungen von amorphem synthetischem Siliziumdioxid eine Basis für die Bewertung.

Das Gremium bemängelte in dem Zusammenhang auch, dass eine Langzeitstudie zur Neubewertung eines möglichen Gesundheitsrisikos für die anorganische Siliziumform fehle, die den Gesamtbereich mit allen Größen der verwendeten Nanopartikeln abdeckt.

Nach Auffassung des EFSA-Gremiums kamen die untersuchten Nanopartikel insgesamt in viel zu unterschiedlichen Größen in Lebensmitteln und biologischen Proben vor, als das man riskante und nicht riskante überhaupt voneinander trennen könnte. Auch in Bezug auf die Siliziumform, die Freisetzung im Körper und andere Faktoren, ließen die bisherigen Studienergebnisse nach Ansicht des Gremiums zum Zeitpunkt ihrer Beurteilung noch kein aussagekräftiges Ergebnis zu, so dass die EFSA-Experten ohne weitere Eingrenzung keine abschließende Entscheidung treffen wollten.

Zur Bewertung von nanotechnisch aufbereitetem Siliziumdioxid fehlen noch geeignete Grundlagen

Das Gremium empfahl den Forschern deshalb, zunächst geeignete Bewertungsgrundlagen zu schaffen und daneben auch die EU-Spezifikationen für E551 anzupassen, damit der Stoff zukünftig angemessen beurteilt werden kann.

Im Rahmen der Bewertung empfahl das EFSA-Gremium außerdem, die Grenzwerte für toxische Elemente wie Aluminium und Schwermetalle wie Quecksilber, Blei und Cadmium in den EU-Spezifikationen für E551 zu senken. Hintergrund ist, dass toxische Metalle oft in Verbindung mit diesem Lebensmittelzusatzstoff vorkommen und somit bei einer Anreicherung von synthetischem Siliziumdioxid (E551) vermehrt in den Körper gelangen.

Nach aktueller Sachlage wurde abschließend festgestellt, dass bis auf Weiteres insbesondere amorphes, nanotechnisch aufbereitetes Siliziumdioxid unter der Bezeichnung E551 innerhalb der bestehenden Grenzen in Lebensmitteln verwendet werden darf.

Siliziumdioxid in Form von Kieselsäure-Gel gilt als sicher

Siliziumdioxid in Form von Kieselsäure-Gel stufte bereits ein früheres Gremium der EFSA 2009 in Nahrungsergänzungsmitteln bis zur zugesetzten Menge von 1.500 Milligramm pro Tag als sicher ein.

Nach den vorliegenden Auswertungen hielten die Experten es allerdings für unwahrscheinlich, dass eine geschätzte Aufnahme von 20 bis 50 Milligramm Silizium täglich über die Nahrung Nebenwirkungen verursacht. Diese Menge entspricht bei einer 60 Kilogramm schweren Person 0,3 bis 0,8 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag.

Die Wirkung von Nano Siliziumdioxid kann kaum ausgewertet werden

Um die Wirkung von anorganischem, nanotechnisch aufbereitetem Siliziumdioxid überhaupt effektiv auswerten zu können, fehlen Forschern derzeit noch klare Regularien, Prüfungsmethoden und Testverfahren. Experten stellen fest, dass die Entwicklung nanotechnischer Materialien und ihre Nutzung in Lebensmitteln und Alltagsgegenständen schneller wächst, als die notwendigen standardisierten Testverfahren, mit denen man eine entsprechende Risikobewertung von nanotechnisch aufbereitetem Silizium vorzunehmen kann. Immer noch fehlen außerdem belastbare Daten, so dass auch von daher eine gezielte Bewertung kaum möglich ist.

Derzeit sind sich Wissenschaftler noch nicht einmal einig darüber, ab welcher Größe Substanzen überhaupt als Nanopartikel zu bezeichnen sind. Denn die Probleme bei der Auswertung von Testergebnissen bestehen insbesondere darin, dass die Wirkung von Nano-Siliziumdioxid in Lebensmitteln von der Größe der Nanopartikel abhängig ist und zur Zeit entsprechende einheitliche und größenabhängige Zuordnungen fehlen.

Nano Siliziumdioxid wirkt deutlich stärker als natürliches E551

Nanopartikel werden in Nanometern (nm) gemessen und sie sind unvorstellbar klein. Nach den ISO-Normen 2008 und 2010 gilt der Bereich von 1 bis 100 nm (Nanometern) als Nano-Größe, doch diese sind nach heutigem Stand, wo Nanopartikel bereits mit einer zehnfach kleineren Größe produziert werden können, lange überholt. Ein Nanopartikel ist ungefähr 50.000 mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares und er besitzt deshalb im Vergleich physikalisch und chemisch eine wesentlich größere Wirksamkeit als gewöhnliche, große Partikel. Nanopartikel gelangen durch ihre geringe Größe wesentlich leichter in die Zellen, ins Körpergewebe und somit auch in die Organe.

Weil Nano-Partikel eine viel stärke Reaktionsfähigkeit besitzen, können manche technisch hergestellten Nano-Materialien, zu denen auch das anorganische Nano-Siliziumdioxid zählt, den Körper toxisch deutlich stärker belasten.

Nanopartikel werden auch als Wirkstoffträger eingesetzt

Doch bergen Nano-Partikel durch die bessere Zellgängigkeit nicht grundsätzlich gesundheitliche Risiken, denn wenn gesundheitsfördernde Nano-Materialien organischer Natur sind, sind sie gerade wegen ihrer größeren Wirksamkeit in der Lage, ihre gesundheitsfördernde Wirkung im Körper schneller zu entfalten.

Deshalb werden viele Nanopartikel als Wirkstoffträger auch gezielt in einigen Arzneimitteln verwendet. In der Pharmazie nutzt man Nanopartikel in Größen von 50 bis 1000 nm. Zum Einsatz kommen solche Arzneimittel dann in Form von Nanokapseln, Nanosphärulen beziehungsweise Nanopellets.

Unsicherheit für Verbraucher bei Produkten mit Siliziumdioxid (E551) bleibt

Vorerst gibt es also keine Sicherheit bei der Verwendung von Produkten mit dem Lebensmittelzusatzstoff E551. Für Verbraucher bedeutet die nach wie vor ungeklärte Situation, dass der Lebensmittelzusatzstoff E551 in Form von amorphem kristallinem Siliziumdioxid nach geltendem Recht weiterhin auch in Lebensmitteln und lebensmittelnahen Produkten verwendet werden darf. Grund dafür sind die bislang fehlenden wissenschaftlichen Bewertungsgrundlagen. Für viele Verbraucher hat das sicherlich einen bitteren Nachgeschmack, denn die Aufnahme von synthetischem amorphem Siliziumdioxid bleibt mit einem Risiko für die Gesundheit verbunden.

Wer das Risiko gänzlich ausschalten will und zukünftig nur noch nach Zutatenliste einkauft, kann jedoch auch nicht sicher, dass das ausgewählte Produkt tatsächlich korrekt ausgezeichnet ist. Denn nach eigenen Untersuchungen hat der BUND festgestellt, dass sich bei der Auszeichnung von Siliziumdioxid (E551) nicht alle Hersteller an die Kennzeichnungspflichten halten.

E551 gelangt über viele Produkte in den Körper

Das preiswerte Ausgangsmaterial für den Zusatzstoff E551 bildet Quarzsand. Quarzsand kommt in der Natur häufig vor, auch ein großer Teil der heimischen Strände von Nordsee und Ostsee besteht daraus. EU-weit wird synthetisches Siliziumdioxid als Lebensmittelzusatzstoff unter der Zulassungsnummer E551 in Produkten wie Instant-Kaffee, Scheibenkäse und geriebenem Käse sowie in Speisewürze, Tütensuppen, Babynahrung oder Kochsalz eingesetzt. Auch in Bioprodukten darf der Zusatzstoff enthalten sein. Eine Vielzahl von Produzenten fügt das industriell erzeugte, stark feuchtigkeitsbindende Trennmittel den Lebensmitteln in Trockenform zu, um sie vor Verklumpung und Feuchtigkeit zu schützen.

Die synthetische Form von Siliziumdioxid findet sich daher oft in pulverförmigen Produkten, darunter zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel und Babyprodukte. Daneben kommt synthetisches Siliziumdioxid auch als wasserhaltiges Gel unter dem Namen Kieselgel (Silica) in verschiedenen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln zur Verarbeitung.

Doch ist die Substanz nicht nur Bestandteil von Lebensmitteln, auch viele Pflegeprodukte wie Zahnpasta, Haushaltsgeräte und Küchenutensilien enthalten nanotechnisch aufbereitetes Siliziumdioxid. Zudem ist der Stoff in zahlreichen lebensmittelnahen Verpackungen enthalten, durch die bedenkliche Partikel in das Lebensmittel gelangen und sich beim Verzehr im Körpergewebe anreichern können.

BfR liefert Höchstmengenvorschläge für Silizium

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) lieferte im Jahr 2021 sowohl für Lebensmittel wie auch für Nahrungsergänzungsmittel Höchstmengenvorschläge zu bestimmten Siliziumverbindungen, die entsprechend der EU-Richtlinie 2002/46/EG in der Fassung vom 25.07.2017 eingesetzt werden dürfen.

Hierbei handelte es sich im einzelnen um Siliziumdioxid, Kieselsäure in Form von Silicagel, Cholin-stabilisierte Orthokieselsäure und letztlich organisches Silizium in Form von Monomethylsilantriol. Der Wert für Monomethylsilantriol bezieht sich auf die sichere tägliche Zufuhrmenge, die im Rahmen des Novel-Food-Verfahrens zugelassen ist.

Die empfohlenen vom BfR gegebenen Höchstmengenvorschläge gelten pro Tagesverzehrempfehlung eines Produkts

Für Siliziumdioxid schlägt das Bundesinstitut für Risikobewertung eine Höchstmenge von 350 Milligramm vor. Während bei Kieselsäure (Silicagel) die vorgeschlagene Höchstmenge 100 Milligramm beträgt, sind es bei der Cholin-stabilisierten Orthokieselsäure lediglich 10 Milligramm. Auch bei organischemms Silizium (Monomethylsilantriol) werden höchstens 10 Milligramm pro Tag vorgeschlagen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine Einrichtung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Neben eigenen Forschungen nimmt das BfR unabhängig wissenschaftliche Beratungen für die Bundesregierung sowie für die Bundesländer vor. Im Zentrum steht die Forschung und Bewertung der Sicherheit in den Bereichen Ernährung, Chemikalien und Produkte.

Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 03/2019 | aktualisiert 16.04.2023
Bildquelle: © Bild cgdsro auf Pixabay.com

Quellen und weiterführende Informationen:

EFSA. Re-evaluation of silicon dioxide (E551) as a food additive. EFSA Journal (2018); 16(1) 5088

K.H. Bauer, K.H. Frömming, C. Führer. Pharmazeutische Technologie. 5. überarbeitete Auflage. Verlag Gustav Fischer. 1997

BUND Nanotechnologie Broschüre (PDF)

BUND Nanopartikel. Auch Lebensmittel trotz gesetzlicher Pflicht nicht gekennzeichnet

BUND Aus dem Labor auf den Teller. Die Nutzung der Nanotechnologie im Lebensmittelsektor (PDF)

Astrid Schobert. Zusatzstoff-Ampel. Verlag Knaur. 2007

BfR. Höchstmengenvorschläge für Silizium in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmittel (PDF)

Wichtige Hinweise zu Gesundheitsthemen

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