Mit einem Anteil von etwa 42 Prozent sind Spannungskopfschmerzen im Erwachsenenalter neben Migräne und Cluster-Kopfschmerz weltweit die häufigste Form von Kopfschmerzen. Nach Angaben der WHO leiden in Industrienationen mehr als ein Drittel aller Männer und mehr als die Hälfte aller Frauen unter Symptomen der Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Allein in Deutschland sind etwa 25 Millionen betroffen. Zwar gibt es zu den körperlichen Ursachen erst wenige Hinweise, doch verschiedene Auslöser von Spannungskopfschmerzen sind bereits bekannt.
Die chronische Form von Spannungskopfschmerzen betrifft 1 bis 3 Prozent aller Erwachsenen und sie kann das familiäre, soziale und berufliche Leben stark beeinträchtigen. Auch finanzielle Beeinträchtigungen und psychische Belastungen können die Folge sein.
Bei Spannungskopfschmerzen gibt es mehrere wirksame Therapien. Obwohl bis heute kein spezielles Medikament gegen Spannungskopfschmerzen bekannt ist, lassen sich Kopfschmerzen vom Spannungstyp oft mit verschiedenen gebräuchlichen Medikamenten und auch mit einigen nicht medikamentösen Therapien meist wirksam behandeln.
Symptome von Spannungskopfschmerzen
Die Anzeichen bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp können unterschiedlich sein. Bei vielen Betroffenen äußern sich die Symptome von Spannungskopfschmerzen als milder bis höchstens mittelschwerer Kopfschmerz, sie sind dumpf-drückend, aber nicht pulsierend. Empfunden werden die Symptome mitunter wie ein zu enger Hut oder wie ein Band um den Kopf, das sich vom Nackenbereich her ausbreitet. Erbrechen tritt nicht auf, während aber Appetitlosigkeit auftreten kann.
Die Symptome betreffen meist den gesamten Kopfbereich. Seltener treten sie halbseitig auf und können dann aber auch auf eine andere Ursache wie etwa Migräne hinweisen. Ebenso zählen Lichtempfindlichkeit (Photophobie) oder Überempfindlichkeit gegen Geräusche (Phonophobie) zu den möglichen Anzeichen von Spannungskopfschmerzen. Nur beim chronischen Typ treten außerdem Symptome wie leichte Übelkeit auf.
Durch normale Aktivitäten kommt es nicht zu einer Verstärkung der Kopfschmerzen, während sich Entspannung aber bei vielen Betroffenen lindernd auswirkt.
Auslöser von Spannungskopfschmerzen
Nicht nur Fehlhaltungen können Spannungskopfschmerzen auslösen. Neben muskulären Fehlhaltungen sind in den Leitlinien neben Stress insbesondere auch fieberhafte Infekte als Auslöser oder verstärkende Faktoren von Spannungskopfschmerzen beschrieben.
Experten vom Umweltbundesamt zählen außerdem viele weitere Faktoren auf, die in verschiedenen Studien als Auslöser von Kopfschmerzen bereits nachgewiesen wurden.
Häufige Auslöser
Demnach können auch ungenügendes Trinken, individuelle Lebensmittelunverträglichkeiten sowie Alkohol, Glutamat und der Süßstoff Aspartam Kopfschmerzen auslösen.
Als weitere Auslöser gelten Erschöpfung, Anti-Baby-Pille, eine Hormonersatztherapie und Tabakrauch. Aber auch Kohlendioxid und Kohlenmonoxid in schlechter Raumluft sowie flüchtige organische Verbindungen in Farben, Lacken, Lösungs- und Reinigungsmitteln können zu Kopfschmerzen führen.
Bewegungsmangel und auch zu viel Bewegung zählen ebenfalls zu den möglichen Auslösern.
Typen von Spannungskopfschmerz
Experten nehmen eine Abgrenzung zwischen dem sporadischem und chronischem Typ vor. Ob Spannungskopfschmerzen sporadisch oder bereits chronisch sind, hängt von der Häufigkeit des Auftretens ab, die jeweils als „Episode“ bezeichnet wird.
Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp
Wenn mehrere Symptome an weniger als 15 Tagen im Monat auftreten, spricht man von sporadischen oder episodischen Spannungskopfschmerzen. Von dieser Kopfschmerzform sind nach Angaben der WHO mehr als 70% der Bevölkerung betroffen. Episodische Kopfschmerzen vom Spannungstyp können zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen anhalten und werden oft von schmerzhaften Verhärtungen im Bereich der Kaumuskulatur, der Nackenmuskulatur und der Halsmuskulatur begleitet.
In den Leitlinien zur Therapie von episodischem und chronischem Kopfschmerz unterscheidet man episodische Spannungskopfschmerzen in der IHS-Klassifikation unter IHS 2.1 und IHS 2.2 noch einmal. IHS 2.1 bezeichnet nur sporadisch auftretende Kopfschmerzen, die weniger als 12 Tage im Jahr auftreten. IHS 2.2 erfasst dagegen häufig auftretende episodische Spannungskopfschmerzen, die mindestens 1 x pro Monat und maximal 14 x pro Monat auftreten. Experten gehen davon aus, das Betroffene, die in der Klassifizierung unter IHS 2.2 fallen, ein höheres Risiko für die Entwicklung von chronischen Spannungskopfschmerzen haben.
Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp
Treten die Spannungskopfschmerzen jedoch durchschnittlich öfter als 14 Tage pro Monat auf und halten länger als 3 Monate an, spricht die IHS-Klassifizierung vom chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp (cSK). Beim chronischen Typ können die Beschwerden über Stunden anhalten oder auch dauerhaft vorhanden sein und den Betroffenen viel stärker behindern als die Kopfschmerzen vom episodischen Typ.
Der chronische Kopfschmerz findet sich in den Leitlinien zur Therapie von episodischem und chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp in der IHS-Klassifikation unter IHS 2.3. Dieser Kopfschmerztyp ist in Industrienationen verbreiteter als in ländlichen Gebieten und Entwicklungsländern und tritt mit zunehmendem Alter häufiger auf. Es gibt Hinweise darauf, dass chronische Spannungskopfschmerzen mit strukturellen Veränderungen im Bereich des schmerzverarbeitenden Systems einhergehen, die in bildgebenden Verfahren den Rückgang der grauen Substanz zeigten.
Wissenschaftlich umstritten ist immer noch die Abgrenzung von chronischen Spannungskopfschmerzen zur Migräne.
Die Mehrzahl der Patienten mit Kopfschmerz vom chronischen Spannungstyp hat zuvor unter episodischen Spannungskopfschmerzen gelitten.
Mögliche Begleiterkrankungen
Beim Spanungskopfschmerz können verschiedene Begleiterkrankungen beteiligt sein. Neben Depressionen und Dysthymie nennen Experten dabei Panikerkrankungen und Angsterkrankungen. Auch Schlafstörungen können auftreten.
Diagnose von Spannungskopfschmerzen
Zur Diagnose werden bei Spannungskopfschmerzen die Begleitsymptome abgeklärt. Um bei Spannungskopfschmerzen eine Diagnose stellen zu können, ist neben der Anamnese die genaue Beschreibung der Kopfschmerzsymptome von Bedeutung. Kopfschmerzen vom Spannungstyp werden, ähnlich wie bei Migräne, als primäre Kopfschmerzen bezeichnet, weil sie auf keine andere Grunderkrankung zurückzuführen sind. Eine neurologische Untersuchung muss deshalb ohne Befund sein.
Um sekundäre Ursachen, wie etwa eine chronische Entzündung oder den Pseudotumor cerebri (idiopathische intrakarnielle Hypertension) ausschließen zu können, wird die Diagnose bei Bedarf ausgeweitet.
Auch wenn etwa Begleitsymptome wie Schlafstörungen oder Tagesmüdigkeit auftreten, muss ausgeschlossen werden, das ein Schlaf-Apnoe-Syndrom vorliegt. Sollte der Arzt in der Mundhöhle Aufbissspuren feststellen, kann sich eine zahnärztliche Untersuchung anschließen.
Schläfenkopfschmerzen und Sehstörungen bei Patienten über 50 Jahre können außerdem auf eine Riesenzellenarteriitis hindeuten, die es ebenfalls auszuschließen gilt. Die systemische Gefäßentzündung befällt den ganzen Körper und lässt auch die Schläfenarterien bis hin zum völligen Verschluss anschwellen. In den Entzündungsherden finden sich Fresszellen des Immunsystems, die miteinander zu Riesenzellen verschmelzen.
Nach Angaben der WHO bemühen sich bei Spannungskopfschmerzen viel zu wenige Betroffene um eine adäquate medizinische Betreuung.
Therapie – Verfahren gegen Spannungskopfschmerzen
In der akuten Therapie werden bei episodischen und chronischen Spannungskopfschmerzen verschiedene Medikamente mit belegter Wirksamkeit eingesetzt. Es handelt sich dabei um nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel, wie sie auch zur Selbstbehandlung zur Verfügung stehen.
Einsetzbar sind neben Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen auch Naproxen und Metamizol.
Auch fixe Wirkstoffkombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein können angewendet werden. Eine weitere Option bietet das ätherische Pfefferminzöl.
Eine akute Therapie, wie sie zur Schmerzlinderung angezeigt ist, sollte 10 Tage nicht überschreiten.
Verschreibungspflichtige Medikamente bei chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp
Bei chronischen Spannungskopfschmerzen kann eine konservative medikamentöse Therapie mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zur Anwendung kommen, deren Erfolg in der Regel erst nach mehreren Wochen abschätzbar ist. Bislang gibt es keine zugelassenen Medikamente mit belegter Wirksamkeit speziell zum Einsatz bei chronischen Spannungskopfschmerzen. Deshalb greifen Mediziner in der Regel auf solche Medikamente zurück, die auch bei Begleiterkrankungen von chronischen Spannungskopfschmerzen wie Muskelschmerzen, Depressionen oder Schlafstörungen zum Einsatz kommen. Von den Krankenkassen werden diese Mittel nach ärztlicher Verordnung in aller Regel erstattet. Neben Antidepressiva können hierbei auch zentral wirkende Muskelrelaxantien angewendet werden.
Wie wirksam eine medikamentöse Therapie ist, lässt sich erst nach 4 bis 8 wöchiger Einnahme feststellen. Allerdings zeigt eine medikamentöse Therapie ohne gleichzeitige allgemeine Maßnahmen nur eine Wirksamkeit von 40 bis 45 Prozent.
Am wirksamsten hat sich bei Spannungskopfschmerzen in Studien das Antidepressivum Amitriptylin gezeigt. Amitriptylin gilt in den Leitlinien als Mittel der 1. Wahl, das unter anderem jedoch bei vorliegenden Erkrankungen wie einem Glaukom, Herzinsuffizienz oder Demenz nicht angewendet werden darf. Zum Einsatz kommt alternativ unter anderem auch das Antidepressivum Mirtazapin bzw. Venlafixin sowie das Muskelrelaxans Tizanidin.
Keine Zulassung gibt es mehr für den Wirkstoff Flupiritin
Für den verschreibungspflichtigen Wirkstoff Flupirtin, der sich auch bei Kindern mit Spannungskopfschmerz als wirksam erwiesen hatte, ist seit dem 26. April 2018 aufgrund des hohen Risikos für Leberschäden die Zulassung EU-weit widerrufen worden. Flupirtin wurde in Hartkapseln, Retardtabletten und Zäpfchen verarbeitet. Als Medikament kam der Wirkstoff Flupirtin unter folgenden Bezeichnungen in den Handel:
Zurückgerufene Medikamente mit Flupirtin
- Flupirtin-Aristo
- Flupirtinmaleat-Hormosan
- Flupigil
- Katadolon
- Trancopal Dolo
- Flupirtin-Winthrop
- Katadolon S Long
- Trancolong
- Katadolon Zäpfchen
Wirksamkeit von Biofeedback, physikalischer Therapie und Entspannungsverfahren
Für einige nicht medikamentöse Therapien gibt es Studienergebnisse, die eine positive Wirkung bei Spannungskopfschmerzen belegen und darüber hinaus auch vorbeugend wirken. Am effektivsten sind nach wissenschaftlicher Auswertung aber Kombinationen aus verschiedenen Therapieformen, die zusätzlich zur Therapie mit Medikamenten empfohlen werden. Auch Ausdauersport gilt als bewährte Maßnahme.
Als Therapien werden neben der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson (PMS) auch die manuelle Therapie sowie die Biofeedback Therapie empfohlen. Weitere Optionen bieten die Physiotherapie sowie ein Stressbewältigungstraining.
Auch 2 bis 3 mal wöchentliches Ausdauertraining wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren kann Spannungskopfschmerzen entgegen wirken.
Gegenüber medikamentösen Therapieformen zeigt das Biofeedback die gleiche Wirksamkeit wie das Antidepressivum Amitriptylin und gilt als die empfehlenswerteste nicht medikamentöse Maßnahme. Allerdings sind mindestens 6 bis 10 Sitzungen nötig und es sind nur wenige Therapieangebote vorhanden. Eine Therapie mit Biofeedback zeigte keine nennenswerten Nebenwirkungen.
Studien, in denen ein Antidepressivum mit einer Therapie zur Stressbewältigung verbunden wurde, waren gegenüber einer Einzeltherapie deutlich erfolgreicher. Ungefähr 65 Prozent der Studienteilnehmer berichteten über eine Verbesserung des Schmerz-Scores um 50 Prozent. Der Schmerz-Score bezog sich auf die Dauer und Intensität der Spannungskopfschmerzen.
Trotzdem derzeit nur wenige Studien zur Verfügung stehen, sind auch die Manuelle Therapie und die Physiotherapie mögliche weitere Therapieformen bei Spannungskopfschmerzen, die hohe Akzeptanz bei den Patienten haben.
Als Therapiemaßnahme mit geringerer Wirksamkeit hat sich bei Spannungskopfschmerzen die klassische Akupunktur erwiesen.
Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 12/2018 | aktualisiert 03.01.2023
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Quellen und weiterführende Informationen:
WHO: Wie häufig sind Kopfschmerzen? Stand. 02/2014
Spannungskopfschmerz. Pfefferminzöl ist anderen Analgetika ebenbürtig. A-1522 (30) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 23, 7. Juni 1996
Deutsche Gesellschaft für Neurologie Therapie des episodischen und chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp und anderer chronischer täglicher Kopfschmerzen. Leitlinien Deutsche Gesellschaft für Neurologie. AWMF-Registernummer: 30/077. Stand 28.Oktober 2014. Gültig bis 27.Oktober 2019
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