Therapeutisches Klettern ist bei zahlreichen Erkrankungen und Beschwerden angezeigt und die eigens dafür ausgerichtete Kletterwand ist für eine breite Altersgruppe geeignet. Die Klettertherapie gilt in Deutschland als innovative Therapieform. Sie hat bereits seit einigen Jahren ihre positive Wirkung unter Beweis gestellt, denn therapeutisches Klettern verzeichnet nach Expertenangaben in einem weiten Anwendungsbereich beachtenswerte Erfolge.

Speziell ausgebildete Klettertherapeuten unterstützen dabei junge und ältere Patienten mit individuell abgestimmten Übungen an der künstlichen Kletterwand. Eine Klettertherapie wird einzeln oder in der Gruppe durchgeführt und ist in der Regel nicht mit Risiken verbunden, weil die Kletterübungen oft nur in niedrigen Höhen ausgeführt werden. Geht es in höhere Bereiche wird der Patient fachgerecht angeseilt und gesichert.

Eine künstliche Kletterwand ist speziell für therapeutisches Klettern ausgerichtet, in der Regel sind die Wände mindestens 3 bis 5 m breit und ca. 2,5 m hoch.

LESETIPP

Bewegungstherapie und Sporttherapie: Wirkung und Einsatzbereiche

Bewegungstherapie und Sporttherapie: Wirkung und Einsatzbereiche

Die Kletterwand wird in darauf ausgerichteten Kletteranlagen und Therapieeinrichtungen nach den Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung gestaltet, die in der Verordnung GUV SI 8013 geregelt sind. Nach Bedarf lässt sich eine therapeutisch geeignete Kletterwand in der Neigung verändern und hat ein regelmäßiges Lochmuster mit Abständen von 15 x 15 cm oder 20 x 20 cm.

Auf der Kletterwand befinden sich je nach Größe etwa 20 ergonomische Griffe und 20 große Tritte, die auf der Fläche nach Bedarf angepasst werden können.

Wirkung beim therapeutischen Klettern

Therapeutisches Klettern hat zahlreiche günstige Effekte. Denn das Klettern fördert viele wichtige Körperfunktionen und gilt als gesundes Ganzkörpertraining mit vielschichtiger Wirkung. Während therapeutisches Klettern auf der motorischen Ebene Kraft, Gleichgewicht und Beweglichkeit schafft, wirkt es auf der psychischen Ebene positiv auf die Motivation, Konzentrationsfähigkeit und Selbstwirksamkeit.

Gleichzeitig zeigt es auch pädagogisch eine günstige Wirkung, denn es fördert Verantwortungsbewusstsein, Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen.

Zu den körperlichen Wirkungen zählen insbesondere auch die Verbesserung der Körperspannung und Maximalkraft, die Förderung von Koordination, von Gleichgewicht und von dynamisch fließender Körperbewegung. Weitere positive Wirkungen liegen in der abwechslungsreichen muskuläre Beanspruchung und dem Training kognitiver Fähigkeiten.

Beim therapeutischen Klettern handelt es sich um eine besondere Therapieform, bei der vertraute und natürliche Bewegungsmuster zum Einsatz kommen, wie sie beim Krabbeln im Kindesalter schon erlernt wurden.

Therapeutisches Klettern hat einen breiten Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich für therapeutisches Klettern erstreckt sich auf die Prävention, Therapie und Rehabilitation. Insgesamt umfasst er viele Einzelbereiche, zu denen neben medizinischen Indikationen weitere Indikationen aus psychischen und pädagogischen Bereichen zählen. Eine Klettertherapie ist auch für viele blinde, behinderte und gehörlose Menschen angezeigt.

Anwendungsbereich: Orthopädische und traumatische Verletzungen

Ein wesentlicher Anwendungsbereich betrifft das orthopädische Gebiet. Eingesetzt wird therapeutisches Klettern dort schwerpunktmäßig für die Körperbereiche Wirbelsäule, Schulter, Hüfte, Knie und Fuß.

Die Klettertherapie gilt auf diesem Einsatzgebiet als effiziente medizinische Trainingstherapie, mit der sich orthopädisch-traumatologische Verletzungen und chronische Beschwerden des Bewegungsapparates gut behandeln lassen. Eine Klettertherapie ist nach Verletzungen oder Operationen angezeigt, die etwa einen Bänderriss oder die Gelenke betreffen. Auch zum Beispiel bei Haltungsschwächen, Skoliose, Instabilitäten sowie beim Impingement-Syndrom, bei dem es in der Schulter zu schmerzhaften Weichteilabklemmungen kommt, ist therapeutisches Klettern eine sinnvolle Therapiemöglichkeit und kann einen Baustein der Krankengymnastik darstellen.

Die Therapie an der Kletterwand hilft dabei, Gelenke zu stabilisieren und ihre Beweglichkeit zu verbessern. Ebenfalls lässt sich damit gezielt Muskulatur aufbauen sowie Kraft und Ausdauer trainieren. Ganz nebenbei werden auch noch Sensibilität und Motorik geschult.

Das Ziel besteht darin, den Patienten durch therapeutisches Klettern in die Lage zu versetzen, seine Belastungen im Alltag selbstständig durchführen zu können. Dabei soll der Patient weitestgehend schmerzarm sein, im besten Fall schmerzfrei.

Anwendungsbereich: chronisch-degenerative Erkrankungen

Auch für Patienten mit Problemen an den Bandscheiben sowie für chronische Schmerzpatienten und Patienten mit Prothesen kann eine Klettertherapie angezeigt sein.

Anwendungsbereich: Pädiatrie

Therapeutisches Klettern gilt zudem im Anwendungsbereich Pädiatrie (Kinderheilkunde) oft als geeignete Behandlungsoption und wird bei ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern erfolgreich eingesetzt. Eine Klettertherapie hat sich etwa in der Behandlung von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten, sensorischen Integrationsstörungen und Haltungsschwächen genauso etabliert, wie bei Essstörungen, Lernschwierigkeiten oder Autismus. Sie findet beispielsweise auch bei ADS und ADHS Anwendung. Daneben gelten Lese- und Rechtschreibschwächen als weitere Indikation.

Anwendungsbereich: Psychische Erkrankungen

Als Teil einer Psychotherapie kann therapeutisches Klettern zum Beispiel bei Angststörungen, Panikstörungen, Suchterkrankungen oder Depressionen zur Anwendung kommen. Weitere Anwendungsbereiche sind Essstörungen, psychosomatische Störungen und Burnout.

Anwendungsbereich: Neurologische Erkrankungen und Bewegungsstörungen

Patienten mit neurologischen Schäden, die unter Erkrankungen wie zum Beispiel Multiple Sklerose, Schlaganfall, Ataxie, Morbus Parkinson, Zerebralparese oder einem Schädelhirntrauma leiden, verhilft das therapeutische Klettern zu einer besseren Körperwahrnehmung und Koordinationsfähigkeit.

Anwendungsbereich: Behinderungen

Sowohl bei Behinderungen der Sinnesorgane, wie sie Blinde und Gehörlose betreffen und bei Menschen mit Sensibilitätsstörungen ist eine Klettertherapie angezeigt. Auch bei geistigen und körperlichen Behinderungen kann therapeutisches Klettern eine geeignete Behandlungsform sein. Gleiches gilt für geistig behinderte Menschen, die zum Beispiel unter dem Down-Syndrom oder Autismus leiden oder Menschen mit körperlichen Behinderungen durch Amputationen oder Querschnittslähmung.

Anwendungsbereich: Geriatrie

Eine Klettertherapie dient bei älteren Menschen zur Vorbeugung oder zur Rehabilitation. Sie ist angezeigt bei Personen, die im Rahmen einer Bewegungstherapie ihre körperliche Konstitution verbessern möchten, aber auch, wenn es um Muskelaufbau, Gleichgewichtsstörungen oder Sturzprophylaxe geht. Therapeutisches Klettern ist zudem eine geeignete Therapieform für ältere Menschen, um die Gedächtnisleistung zu verbessern.

Beim therapeutisches Klettern gibt es verschiedene Gegenanzeigen

Nicht bei jedem Patienten ist therapeutisches Klettern angezeigt. Ungeeignet ist therapeutisches Klettern etwa bei fortgeschrittener Osteoporose oder extremer Fettleibigkeit (Adipositas). Bei nicht vollständig abgeheilten Knochenbrüchen oder nach Operationen müssen dagegen entsprechende Limitierungen eingehalten werden.

Auch bei akuten Erkrankungen sowie bei akuten Schmerzen oder ungeklärten Beschwerden kann eine Klettertherapie ungeeignet sein. Eine weitere Kontraindikation stellen starke Angstzustände oder psychische Störungen dar.

Bei künstlichen Gelenke sowie bei Herzerkrankungen ist eine ärztliche Rücksprache, beziehungsweise ärztliche Begleitung erforderlich. Auch die Einnahme verschiedener Medikamente, darunter zum Beispiel Schmerzmittel, kann zudem eine Gegenanzeige darstellen.

Welche Voraussetzungen benötigen Therapeuten für die Klettertherapie?

Klettertherapeuten sind in der Lage sein, beim Patienten das schwächste Glied in der Kette überbrücken zu können. Beim Therapeuten wird nicht nur ein hohes Maß an therapeutischem Wissen vorausgesetzt, sondern auch viel kletterspezifisches Wissen, damit er je nach Indikation die für den Patienten notwendigen Bewegungen an der Kletterwand umsetzen kann. Klettertherapeuten absolvieren in der Regel zertifizierte Zusatzausbildungen im Bereich Klettertherapie, um mit den Krankenkassen abrechnen zu können. Zumeist bringen sie medizinische, pädagogische oder physiotherapeutische Vorbildung mit.

Beim therapeutischen Klettern arbeiten Therapeuten ausschließlich mit dem Körpergewicht des Patienten. Sie treffen abhängig vom Therapieziel eine Auswahl von Übungen und koordinieren die Bewegungsphasen, die Intensität und Dauer der einzelnen Belastungen.

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Anbieterverzeichnis Therapeutisches Klettern: Klettertherapie

Anbieterverzeichnis Therapeutisches Klettern: Klettertherapie

Auch Wiederholungen und Pausen bilden einen Teil der Therapieübungen. Jede einzelne Bewegung fordert beim Klettern Muskelschlingen des gesamten Bewegungsapparates, die der Klettertherapeut so koordinieren muss, dass die verletzte Struktur, die mit dem schwächsten Kettenglied vergleichbar ist, gestärkt wird und von den anderen Kettengliedern getragen werden kann, die gleichzeitig durch die Kletterübungen gestärkt werden.

Therapeutisches Klettern wird mittlerweile in Deutschland flächendeckend in allen Postleitzahlgebieten angeboten.

Zu den Anbietern zählen hauptsächlich verschiedene Kletterhallen, Kliniken, Reha-Einrichtungen, Orthopädie-Praxen, Praxen von Psychologen und Psychotherapeuten, Physiotherapie-Praxen, Ergotherapie-Praxen.

Viele Krankenkassen übernehmen Kosten für therapeutisches Klettern

Eine Klettertherapie wird nach ärztlicher Verordnung kostenmäßig meist von den Kassen übernommen oder bezuschusst. Im Rahmen der Krankengymnastik am Gerät (KKG) oder einer Ergotherapie übernehmen viele gesetzliche und private Krankenkassen auf ärztliche Verordnung hin die Kosten für therapeutisches Klettern ganz oder teilweise.

Voraussetzung ist in der Regel, dass die verordnete Klettertherapie in einer Praxis oder Einrichtung durchgeführt wird, die eine entsprechende Qualifikation nachweisen kann und eine Kassenzulassung hat. Zur Klärung der individuellen Kostenfrage raten Experten den Betroffenen in jedem Fall zur Rücksprache mit der Krankenkasse, beziehungsweise mit dem Therapeuten vor dem Therapiebeginn.

Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 12/2018 | aktualisiert 10.01.2023
Bildquelle: © Bild von Allan Mas bei Pexels.com

Quellen und weiterführende Informationen:

Dieter Lazik et al. Therapeutisches Klettern. Verlag Thieme. 2008

Deutscher Alpenverein (DAV)

Sozialverband VdK. Therapeutisches Klettern. Heilende Wände. Beschwerden einfach wegklettern

Anne-Claire Kowald, Alexis Konstantin Zajetz. Therapeutisches Klettern. 1. Auflage 2014. Verlag Schattauer

VDK Bayern. Paraclimbing. Klettern auch für behinderte, blinde und gehörlose Menschen

Claudia Kern. Entwicklung eines therapeutischen Kletterprogramms und Evaluation seiner Effekte auf Personen mit Multipler Sklerose. Dissertation TUM 14.11.2014

Sicher nach oben – Klettern in der Schule

René Kittel, Thomas Mühlbauer, Urs Granacher. Therapeutisches Klettern am Gerät. Möglichkeiten und praktische Umsetzung. Physiotherapie med. 3/2013. S.11-17

GKV-Spitzenverband. Heilmittel. Ambulante Leistungen. Rahmenempfehlungen (PDF)

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