Umweltbelastungen und Umweltgifte können die Gesundheit stark beeinflussen, so dass die auslösenden Substanzgruppen im Focus der Umweltmedizin stehen. Wissenschaftlich forschende Umweltmediziner konnten bislang zahlreiche Substanzgruppen ermitteln, die sich mit Gesundheitsstörungen oder Erkrankungen in Zusammenhang bringen lassen oder die spezielle Gesundheitsrisiken bergen. Zu den möglichen Auslösern für Befindlichkeitsstörungen oder Umwelterkrankungen zählen wohl mehr Umweltgifte und Umweltbelastungen als oft angenommen.
In der klinischen Umweltmedizin steht der belastete Patient im Vordergrund. Umweltmediziner befassen sich dabei neben einer praktischen Diagnose und Therapie auch mit dem Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen. Bei vielen Betroffenen liegt ein unklares Beschwerdebild vor, das nicht unbedingt leicht zu diagnostizieren ist.
Substanzgruppen in der Umweltmedizin
Eine Vielzahl von Giftstoffen, Erregern und ungünstigen Einflüssen kann die Gesundheit belasten. Von Bedeutung sind in der Umweltmedizin neben chemischen Stoffen auch biologisch aktive Stoffe und Erreger. Eine weitere Rolle spielen physikalische Einflüsse sowie psychische Auslöser.
Substanzen oder Umstände, die sich schädigend auf den Körper auswirken, bezeichnen Umweltmediziner als Noxen. Noxen können in unterschiedlich hohen Konzentrationen und Mengen im Haushalt, in Gebäuden, am Arbeitsplatz oder in der Umgebung vorkommen.
Chemische Substanzen in der Umweltmedizin
Mehr als 12 Millionen Chemikalien sind insgesamt registriert, von denen über 100.000 als umweltrelevant eingestuft sind.
Zu den chemisch bedeutsamen Substanzen in der Umweltmedizin zählen Stoffe wie Formaldehyd, Asbest, Ozon oder das radioaktive Radon sowie Radionuklide. Daneben wurden sowohl Stickstoffoxide und das Spurengas Peroxyacetylnitrat sowie Feinstaub und Dioxine als umweltrelevante Substanzen eingestuft. Zum Kreis zählen aber auch Fourane und weitere toxische Luftschadstoffe.
Schwermetalle und Halbmetalle wie Blei, Cadmium, Quecksilber, Thallium, Arsen, Aluminium oder Chrom IV vervollständigen die Liste. Zu den chemisch bedeutsamen Substanzen gehören außerdem Pflanzenschutzmittel, Dämmstoffe mit künstlicher Mineralfaser sowie chlororganische Verbindungen, die etwa in Holzschutzmitteln oder Pflanzenschutzmitteln und Insektiziden vorkommen. Weichmacher zählen ebenfalls dazu.
Biologische Einflüsse in der Umweltmedizin
Biologisch bedeutsam sind in der Umweltmedizin spezielle Substanzen, zum Beispiel allergieauslösende Gräser und Pollen, Pilzgifte, Parasiten und Erreger. Aber nicht nur solche Substanzen aus der Umwelt verursachen bei vielen Menschen gesundheitliche Probleme, auch Bakterien, Viren, Schimmelpilze, Legionellen oder ähnliche Erreger können die Gesundheit belasten. Gegenstand der Diagnose und Therapie sind in der Umweltmedizin zudem Parasiten wie beispielsweise Zecken, die Borreliose oder FSME übertragen.
Physikalische Einflüsse in der Umweltmedizin
Neben chemischen und biologischen Einflüssen können auch physikalisch einwirkende Reize die Gesundheit beeinträchtigen. Zu den physikalischen Einflüssen zählen Umweltmediziner neben Lärm, Hitze, Kälte und Infraschall außerdem elektromagnetische Felder und UV-Licht.
Psychosoziale Einflüsse in der Umweltmedizin
Darüber hinaus können psychosoziale Einflüsse und Stressoren die Gesundheit von Eltern und Kindern maßgeblich beeinflussen. Psychosozialen Einfluss nehmen etwa Kindergärten, Schulen und Arbeitsplätze. Die Erholungszeiten und den Tagesrhythmus stufen Umweltmediziner dabei ebenfalls als beeinflussende Faktoren ein.
Umweltbezogene Syndrome und Gesundheitsstörungen
Häufig äußern sich Umwelterkrankungen mit einem unklaren Beschwerdebild. Die Mehrheit der Betroffenen hat deshalb oft schon eine lange Reise durch verschiedene Arztpraxen und eine Vielzahl von ergebnislosen Untersuchungen hinter sich, weil ihr unklares Beschwerdebild mit schleichenden und wechselnden Symptomen für viele Ärzte nicht erklärbar ist.
Bei zahlreichen Betroffenen steckt eines von drei häufig auftretenden umweltbezogenen Syndromen dahinter, die nach Expertenangaben allesamt mehr oder weniger starke Befindlichkeitsstörungen auslösen.
Häufig diagnostizieren Umweltmediziner eine Multiple Chemische Sensitivität (MCS), bei der Betroffene auf Substanzen aus der Umwelt reagieren. Ein weiteres, oft festgestelltes umweltbezogenes Syndrom, ist das Chronic Fatique Syndrom (CFS), auch bezeichnet als chronisches Erschöpfungssyndrom, chronisches Müdigkeitssyndrom oder myalgische Enzephaleopathie (ME). Dabei verlieren Betroffene einen Großteil ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit.
Nicht selten tritt aber auch das Sick-Building-Syndrom (SBS) auf, bei dem Betroffene in Verbindung mit dem Aufenthalt in bestimmten Gebäuden Beschwerden und Symptome zeigen.
Besonders schwierig gestaltet sich jedoch die Diagnose einer umweltbezogenen Gesundheitsstörung (Öko-Syndrom) bei Betroffenen, bei denen eine körperliche (somatische) und psychogene Überlagerung besteht.
Die Diagnose erfolgt bei allen drei umweltbezogenen Syndromen durch Gegenüberstellung und Abgrenzung von Krankheiten mit ähnlichen Beschwerdebildern (Differentialdiagnose). Bestehende körperliche oder psychiatrische Erkrankungen schließen Umweltmediziner zuvor aus.
Während sich bei MCS und CFS die Diagnose auf Einzelpersonen bezieht und nicht vom Ort abhängig sein muss, bezieht sich beim SBS die Diagnose auf den Ort und gleichzeitig auf mehrere Personen, die einen gemeinsamen Ort nutzen. Die Entstehung der umweltbezogenen Syndrome ist bislang nicht bekannt. Die Eigenständigkeit von MCS, CFS und SBS ist medizinisch nicht allgemein akzeptiert.
Neben den drei umweltbezogenen Syndromen, sind in der Umweltmedizin verschiedene Gesundheitsstörungen und Befindlichkeitsstörungen bekannt. Dazu zählen die Elektrosensitivität und die Amalgam-bezogenen Gesundheitsstörungen.
Umwelterkrankungen
(Für mehr Informationen zum speziellen umweltmedizinischen Syndrom und zur Gesundheitsstörung klicken Sie in das Feld)
Verschiedene Praxen bieten umweltmedizinische Leistungen für Betroffene
Umweltmedizinische Leistungen bei Erkrankungen werden in der Regel von niedergelassenen Ärzten mit einer entsprechenden Zusatzausbildung in der Praxis meist neben klassischen medizinischen Leistungen angeboten.
Umweltmediziner beraten ihre Patienten umfassend über umweltmedizinische Zusammenhänge und klären auf Patientenwunsch die vermuteten Schadstoffbelastungen oder Belastungen durch andere Umwelteinflüsse individuell ab. Während einige Betroffene ihren Status lediglich rein vorsorglich abklären lassen, kommen auch Patienten mit unklaren Symptomen oder bereits bestehenden Erkrankungen, die dahinter eine Schadstoffbelastung vermuten.
Auch verschiedene Heilpraktiker bieten umweltmedizinische Leistungen in ihrer Praxis an.
Umweltmedizinische Kliniken, Beratungsstellen und Ambulanzen
Wenige Kliniken in Deutschland haben sich auf die praktische Behandlung von umweltmedizinischen Erkrankungen spezialisiert und behandeln Betroffene bei Notwendigkeit auch stationär.
Meist sind es, über Deutschland verteilt, verschiedene umweltmedizinische Zentren, die Patienten mit Verdacht auf eine umweltbedingte Erkrankung beraten. Auch umweltmedizinische Ambulanzen klären mögliche Schadstoffeinwirkungen ab und beraten Patienten präventiv. Diese Beratungszentren befinden sich in verschiedenen Kliniken, Universitätskliniken und Ämtern.
Gesundheitsprobleme durch Innenräume in der Umweltmedizin
Umweltmediziner werden oft wegen einer Innenraumbelastungen konsultiert. Bei ungefähr zwei Drittel der Patienten führen Umweltmediziner die Ursache für die körperliche Reaktion auf Schadstoffe oder Reizstoffe in Innenräumen zurück. Bei den übrigen Patienten sind die identifizierten Auslöser hauptsächlich Nahrungsmittel, Zahnersatzmaterialien, Stress, elektromagnetische Felder oder Allergene aus der Umwelt oder vom Arbeitsplatz.
Diagnose in der Umweltmedizin
Um zu einer Diagnose zu kommen, sind häufig verschiedene Bestimmungen und Bewertungen der körperlichen Belastungen notwendig. In der Umweltmedizin ist für die Diagnose nicht nur der Ausschluss von anderen Erkrankungen erforderlich, oft muss zudem der körperliche Status anhand von Schadstoffmessungen ermittelt werden.
Auch Schadstoffmessungen aus der direkten Umwelt des Betroffenen oder ganzer Bevölkerungsgruppen fließen in die Bewertung mit ein. Das analytische Vorgehen wird Human-Biomonitoring (HBM) genannt.
Vom Ergebnis der Analyse hängt der Umfang der Maßnahmen ab, die zu treffen sind, um eine festgestellte Schadstoffbelastung zu senken. Das Biomonitoring kann auch wiederholt zur Überprüfung im Therapieverlauf eingesetzt werden.
Um die inneren körperlichen Belastungen durch Umweltgifte zu diagnostizieren, nutzen Umweltmediziner verschiedene labortechnische Untersuchungen. Innere Belastungen können aus unterschiedlichen Quellen stammen und über unterschiedliche Weise in den Körper gelangt sein. In den Körper gelangen die Schadstoffe über die Atemluft, den Mund oder die Haut.
Zur Untersuchung kommen beim Bio-Monitoring neben Körpergewebe, Haaren und Zähnen auch Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin, Sperma, Vaginalsekret oder Muttermilch. Ob kritische Konzentrationen oder gesundheitliche Belastungen vorliegen, ergibt ein Abgleich mit den Schadstoff-Referenzwerten.
Wenn sich der Verdacht auf Schadstoffbelastungen in Wohnräumen oder am Arbeitsplatz durch den medizinischen Befund bestätigt, kann ein Umweltmediziner ein Umwelt-Monitoring veranlassen. Beim Umwelt-Monitoring ermitteln qualifizierte Baubiologen oder Ingenieure die individuelle Belastung durch äußere Umweltfaktoren beim Betroffenen vor Ort. Untersuchungen und Schadstoffmessungen werden aus potentiell möglichen Quellen vorgenommen.
Zu den häufigen Schadstoffquellen zählt neben der Luft auch der Boden und das Wasser.
In Wohn- oder Nutzimmobilien können sich Schadstoffe dagegen in Baumaterialien sowie auch in Bodenbelägen, Wandmaterialien und Deckenmaterialien und Möbeln verbergen. Auch der Hausstaub kann eine Schadstoffquelle sein, beziehungsweise kann er in Räumen befindliche Schadstoffe enthalten.
Weitere Schadstoffe befinden sich in einigen Haushaltsartikeln, Lebensmitteln oder auch Textilien.
Für die Bewertung einer Schadstoffbelastung sind die festgelegten Grenzwerte ausschlaggebend.
Monitoring körperlicher Auswirkungen und individueller Empfindlichkeit
Bei bestehenden Schadstoffbelastungen durch biochemische oder biologische Auslöser untersucht der Umweltmediziner den Betroffenen auf die körperlichen Auswirkungen hin. Bei Umweltbelastungen steht besonders der oxidative Stress und der nitrosative Stress im Focus, der die Körperzellen schädigt und das Auftreten von Freien Radikalen begünstigt.
Die Wirkung von Schadstoffen und Umwelteinflüssen auf den Körper kann individuell sehr unterschiedlich sein und ist noch nicht vollständig erforscht. Forscher vermuten aber, dass sowohl angeborene Überempfindlichkeiten, genau wie auch erworbene Abweichungen, Einfluss auf die individuelle Auswirkung von Schadstoffbelastungen nehmen. Zu den erworbenen Abweichungen zählt beispielsweise ein Vitaminmangel oder ein Mineralstoffmangel oder Mangel an Spurenelementen.
Therapie in der Umweltmedizin
Bei umweltmedizinischen Schadstoffbelastungen gibt es für Betroffene eine Vielzahl von traditionellen und modernen Entgiftungsverfahren. Neben der Ausschaltung der Schadstoffquellen, bieten Umweltmediziner ihren Patienten verschiedene Therapien zur Entgiftung an.
Angeboten werden können etwa Entgiftungsbäder und die Therapie von Lymphe und Bindegewebe sowie eine Chelat-Therapie. Zum Einsatz kommen auch entgiftend wirkende Phytotherapien, Fastenkuren oder Entschlackungskuren. Ausleitungsverfahren wie das Schröpfen und der Aderlass zählen zu den weiteren Behandlungsmethoden in der Umweltmedizin.
Hinzu kommen Entgiftungsverfahren wie Kneipp oder die Meso-Therapie. Auch Entgiftungsverfahren nach Hildegard von Bingen sowie nach TCM oder die Bioresonanz-Therapie können zur Anwendung kommen.
Daneben wird auch die traditionelle chinesische Akupunktur sowie die Elektroakupunktur nach Voll in der Umweltmedizin therapeutisch eingesetzt.
Kosten und Kostenübernahme von umweltmedizinischen Leistungen
Nicht immer kommt es zu einer Kostenübernahme für Leistungen in der Umweltmedizin durch die Kassen. Die Umweltmedizin zählt zu den Leistungen, für die gesetzliche Krankenkassen die Kosten dann übernehmen, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Auch die Kosten für eine mehrwöchige Behandlung in spezialisierten Kliniken werden bei Notwendigkeit von gesetzlichen Krankenkassen getragen. In einigen Fällen überprüfen gesetzliche Krankenkassen die medizinischen Unterlagen, bevor sie eine Genehmigung erteilen.
Die Umweltmedizin zählt zu den IGeL-Leistungen
Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten für medizinische Leistungen nur bei eindeutiger Symptomatik und medizinischer Notwendigkeit.
Als individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) eingestuft, müssen Patienten die Kosten für umweltmedizinische Leistungen immer dann privat zahlen, wenn keine medizinische Notwendigkeit gegeben ist.
Leistungen der Umweltmedizin können je nach Situation, die Erst- und Folgeanamnese, eingehende umweltmedizinische Beratung, Wohnraumbegehungen, Schadstoffmessungen sowie ein Bio-Monitoring umfassen. Daneben können Kosten für die Erstellung eines umweltmedizinisch begründeten Behandlungskonzepts und umweltmedizinische Gutachten anfallen.
Kosten fallen je nach beauftragter Leistung für Umweltmediziner oder Heilpraktiker, Umweltlabore und/oder umweltmedizinisch ausgerichtete Ingenieure und/oder Bausachverständige an. Die Kosten für erbrachte umweltmedizinische Leistungen richten sich dabei nach der jeweiligen Gebührenordnung.
Die Kosten für das Monitoring von Schwermetallen betragen etwa 30 Euro pro untersuchter Substanz. Zur Untersuchung können Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Quecksilber oder Nickel kommen.
Viele Krankenzusatzversicherungen erstatten die Kosten für Umweltmedizin
Viele Krankenzusatzversicherungen erstatten neben anderen Naturheilverfahren auch Leistungen der Umweltmedizin, die durch Ärzte und Heilpraktiker vorgenommen werden.
Autor: Katja Schulte Redaktion
Datum: 01/2021 | aktualisiert 24.08.2023
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Quellen und weiterführende Informationen:
Robert-Koch-Institut. Definition Umweltmedizin. 23.06.2016
Umweltbundesamt. Gesundheitsrelevante Schadstoffe im human biomonitoring
Deutscher Berufsverband Klinischer Umweltmediziner (DBU)
H. Drexler, P. Elsner. Grundwissen klinische Umweltmedizin. Verlag Huber. Leipzig 2004
B. Harder. Der große IGeL-Check. Verlag Knaur. 2005
Wichtige Hinweise zu Gesundheitsthemen
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte beachten Sie hierzu die weiteren Hinweise zu Gesundheitsthemen